Politik/Ausland

Netzpolitik-Affäre: Ein Sieger, viele Verlierer

Legt euch nicht mit dem Internet an." Markus Beckedahl, Chef des investigativen Portals Netzpolitik.org, konnte Dienstagabend zufrieden sein: Kurz zuvor hatte Justizminister Heiko Maas Generalbundesanwalt Harald Range gefeuert – weil der Ermittlungen gegen den Blogger und einen seiner Autoren aufgenommen hatte. Die beiden hatten Geheimdokumente des Bundesamts für Verfassungsschutz veröffentlicht, in denen es um die geplante Massendatenüberwachung des Geheimdiensts ging.

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Der Vorwurf lautete Landesverrat. Ein Tatbestand, der in Deutschland die Alarmglocken schrillen lässt: 1962, als derSpiegel vertrauliche Dokumente veröffentlichte, die den damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß belasteten, war die Anschuldigung die selbe. Den CSU-Übervater kostete sein Vorgehen damals das Amt, demSpiegel und vielen anderen Medien gab es allerdings Auftrieb – ein klarer Sieg derPressefreiheit.

Sündenbock

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Heute sind die Verlierer in der Überzahl. Range dient als Bauernopfer; er hätte ohnehin in einem halben Jahr in Pension gehen wollen. Maas setzte ihn deshalb so handstreichartig ab, weil er sonst sich selbst beschädigt hätte – denn die Konsequenzen für ihn könnten weitreichend sein: Die Opposition glaubt nämlich, der Kleinkrieg zwischen Minister und Bundesanwalt solle verdecken, dass auch auf höchster Ebene einiges schieflief. Maas hätte schon Monate zuvor sein Veto einlegen können, tat es aber erst jetzt – mit Rückendeckung Angela Merkels. Dass Range sich danach über den "unerträglichen Eingriff in Unabhängigkeit der Justiz" beschwerte, konnte derSPD-Minister nicht auf sich sitzen lassen.

Zudem wird moniert, dass auch Hans-Georg Maaßen, der umstrittene Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, unangetastet bleibt – er hat die Anzeige gegen die Blogger erst ins Rollen gebracht. Er gilt als Scharfmacher, der Indiskretionen über seine Arbeit nicht verträgt und Ermittlungen gegen Whistleblower generell für gut befindet – auch in der NSA-BND-Affäre sah er nie Verfehlungen auf deutscher Seite.

Netzpolitik.org hat stets kritisch über ihn berichtet. Das Portal ist auch der einzige Gewinner der Posse: Das Verfahren wird vermutlich bald eingestellt – und auf dem Spendenkonto der Seite gingen zuletzt mehr als 50.000 Euro ein. Beckedahl freut’s: "Offenbar ist das Verfahren die höchste Auszeichnung, die ein investigativer Journalist in Deutschland bekommen kann."