"Was wir jetzt erleben, wird unser Land verändern"
Von Evelyn Peternel
Es war ein wenig wie im Jahr 2008, als die Bankenkrise auch Deutschland nachhaltig erschütterte. Als Angela Merkel damals dafür einstehen musste, dass die Spareinlagen der Deutschen wirklich sicher seien, war allen klar, dass man hier möglicherweise einen historischen Moment erleben darf.
An diesem Montag, als Merkel nach einem "atemberaubenden Wochenende", wie sie es nannte, vor die Presse trat, war die Gefühlslage ähnlich. Mehr als 20.000 Flüchtlinge sind bereits aus Ungarn nach Deutschland gekommen, 10.000 weitere wurden in München erwartet . Und da Berlin offen lässt, wie lange die Ausnahmen für in Ungarn gestrandete Flüchtlinge gelten sollen, brauchte es Antworten – vor allem finanzieller Natur.
Dorthin wird auch ein Teil dieser Mehrausgaben fließen. Denn diejenigen, die mit der Versorgung der Flüchtlinge betraut sind, stöhnen nicht erst seit diesem Wochenende. 3000 zusätzliche Stellen sollen vor allem die chronisch unterbesetzte Exekutive in Bayern entlasten, 10.000 neue Stellen werden auch im Bundesfreiwilligendienst geschaffen. Seit Deutschland die Wehrpflicht abgeschafft hat, fehlt es an Zivildienern, die in solchen Krisen sonst zum Einsatz kämen – dass das Engagement der jetzt tätigen Ehrenamtlichen auf Dauer ohne Anreize anhalten wird, glaubt derzeit niemand.
Kein Taschengeld mehr
Diese Strategie ist nicht nur Zugeständnis an die CSU, die die Grenzöffnung für die Ungarn-Flüchtlinge beklagt hatte, sie soll auch einem Stimmungsschwenk vorbeugen. "Was wir jetzt erleben, wird unser Land verändern", sagte Merkel – sie schwörte die Deutschen darauf ein, dass diese Krise nicht nur Monate, sondern Jahre dauern werde. "Wir müssen unser Land zusammenhalten", sagte auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, wissend um die Problemlagen in Deutschland. Erst in der Nacht auf Montag brannte wieder ein Flüchtlingsheim in Baden-Württemberg – ob das Feuer gelegt wurde, ist noch unklar.
EU-Asylrecht gefordert
Die Herausforderung, das ist allen Beteiligten klar, ist eine große. Gabriel verglich sie gar mit jener der Wiedervereinigung. Deshalb beeilt man sich nun nach langem Zögern – die Beschlüsse werden noch im Oktober im Bundestag gefasst. Man wolle genauso schnell und entschlossen sein "wie bei der Bankenrettung", meinte Merkel. Sie gab damit auch das Tempo für Brüssel vor, gemeinsam mit der Forderung nach einem einheitliches EU-Asylrecht: "Deutschland, Österreich und Schweden können nicht die einzigen Länder sein, die sich beteiligen."