Politik/Ausland

D: Frauenquote macht noch keine Ehe

Acht Wochen nach der Bundestagswahl wird die Annäherung von Union und SPD zäher statt zügiger. In beiden Partei-Basen wachsen Vorbehalte gegen die Koalitionsbemühungen der Parteiführungen. Daran ändern auch kleinere Einigungen wenig wie die fixe Frauenquote für die Aufsichtsräte von Großunternehmen, auf die sich die zuständige Arbeitsgruppe Montagfrüh geeinigt hat.

Danach sollen ab 2016 30 Prozent der Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen Frauen sein. Was von der Wirtschaft heftig kritisiert wird, feiert die SPD als Etappensieg zur Großen Koalition. Das ist es aber nur bedingt. Denn erstens hatte die Union schon länger Flexibilität bei Höhe und Datum klar signalisiert, wenn dafür andere Forderungen von ihr erfüllt werden wie die Außerstreitstellung des neuen Betreuungsgeldes für Kinder. Und zweitens ist die Ausgestaltung völlig offen: Die Quote betrifft 160 Unternehmen, im Schnitt sind nur acht Prozent ihrer Aufsichtsräte derzeit weiblich. Nicht klar ist, wie die Aufstockung berechnet wird: Nur für die Eigentümer oder für den ganzen Aufsichtsrat, also auch für die Arbeitnehmerseite, die durch Mitbestimmung in Unternehmen mit über 2000 Beschäftigten die Hälfte stellt. Auch sind Sanktionen offen: Immerhin klagt die Wirtschaft über zu wenig qualifizierte Frauen nicht nur in Führungsfunktionen.

Heikles aufgeschoben

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Trotz der Einigung auf die Frauenquote laufen die Koalitionsverhandlungen mühsam. Schon jetzt steht fest, dass sie die längsten bisher werden. Allein die erstmalige Abstimmung der SPD-Basis darüber kostet etwa vier Wochen. Aber selbst dahin ist es noch ein holpriger Weg: Bisher wurden fast alle zwischen Union und SPD wirklich kontroversiellen Themen aufgeschoben. Und die weniger schwierigen wurden meist mit neuen Steuergeld-Subventionen nur oberflächlich gelöst. Kanzlerin Merkel hat daher einen strikten Finanzierungsvorbehalt über die bisher 52 Milliarden Euro verhängt, um ihr Haupt- Wahlversprechen von keinen neuen Steuern und Schulden einhalten zu können. 70 Prozent davon haben nach einer internen Rechnung des Finanzministeriums keine Chance auf Realisierung – und bleiben damit Dauer-Streitthema.

Auch die großen Brocken sind teils noch offen: Der von der SPD ultimativ verlangte Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde und die automatische Doppelstaatsbürgerschaft für Migrantenkinder dürften zwar nach letzten Signalen Merkels wohl kommen. Weniger klar ist das bei der von der SPD neuerdings geforderten „Rente mit 63“: Sie soll Arbeitnehmern mit 45 Jahren ununterbrochenen Einzahlungen nicht erst mit 65 den Weg in die abschlagsfreie Rente ermöglichen.

Ganz offen ist die von der CSU ultimativ geforderte Pkw-Maut und das von der SPD geforderte volle Adoptionsrecht für Homosexuelle.

Alle diese Punkte werden frühestens am Sonntag von den drei Parteichefs Merkel, Gabriel und Seehofer in der „kleinen Schlussrunde“ im Kanzleramt entschieden werden, realistischerweise aber später. Vor dem CSU-Sonderparteitag am Freitag werden keine weiteren substanziellen Kompromisse erwartet.

Eher das Gegenteil: Nachdem die SPD auf ihrem Parteitag auf Druck der Koalitions-kritischen Basis bei den Verhandlungen „nun eine Schippe nachlegt“, wie Generalsekretärin Andrea Nahles ankündigte, wird auch in der Union der Ton rauer, vor allem in der CSU: Deren Frauenpolitikerin Dorothee Bär sprach angesichts des Wahlergebnisses – 41,5 Prozent für die CDU, 25,7 Prozent SPD – von „Erpressung, dass da der Schwanz mit dem Hund wedeln will“. Fraktionschefin Gerda Hasselfeldt fand es „bemerkenswert, dass die SPD mitten in den Koalitionsverhandlungen die Öffnung zur Linken und Rot-Rot-Grün beschloss“.

CDU: Keine Kapitulation

In der CDU-Basis hingegen artikulierte sich nur leiser Unmut darüber, dass Merkel seit Wochen „unsichtbar“ sei und offenbar hinnehme, dass die Union von der SPD noch weiter nach links gerückt werde. CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach: „Die SPD verlangt von uns eine Kurskorrektur, sie soll aber nicht Koalition mit Kapitulation verwechseln.“