Politik/Ausland

CSU will "Kommissar für Entbürokratisierung"

Während die CDU von Kanzlerin Merkel klar pro-europäisch in den Wahlkampf geht, schießt sich die bayerische Schwesternpartei auf die Brüsseler Bürokratie ein. CSU-Spitzenkandidat Markus Ferber erklärt, wieso.

KURIER: Was genau stört Sie an der Brüsseler Bürokratie?

Markus Ferber:Ich vermisse die Selbstbeschränkung auf die wesentlichen Dinge. Was die Kommission macht, ist Kompetenzen, die die EU grundsätzlich zu Recht hat, massiv auszunützen. Wie zum Beispiel beim Thema Trinkwasser-Liberalisierung, das mit dem Binnenmarkt herzlich wenig zu tun hat, weil Trinkwasser keine grenzüberschreitende Handelsware ist.

Die Kommission hat so viel Macht, wie ihr die Staaten geben.

Wir haben viele Interessensgruppen, auch Mitgliedsstaaten, die nach Brüssel marschieren und sagen: Natürlich muss Europa nicht alles regeln – aber ich hab’ damit noch ein Riesenproblem.

Was müssten die einzelnen Kommissare anders machen?

Das sind ehrenvolle Leute, aber die Beamtenschaft führt ein Eigenleben. Es gibt wenig Kommissare, die alles sehen, was ihre Generaldirektion macht. Es findet keine politische Führung statt, sondern eine administrative.

Unter den Augen der nationalen Regierungen.

Die Staaten sind immer eingebunden. Zu sagen: Brüssel beschließt und keiner hat’s gewusst und man schimpft drauf, obwohl es im Rat einstimmig beschlossen wurde – das ist eine starke Nummer. Da muss man manchmal den eigenen Parteifreunden sagen: Da habt ihr in Berlin nicht aufgepasst.

Wie wollen Sie die Bürokratie in Zukunft nun bremsen?

Nach der Wahl wird im Parlament ein neuer Kommissionspräsident gewählt. Mit ihm muss vereinbart werden, dass er mit Zurückhaltung an die Gesetzgebung herangeht. Ich könnte mir vorstellen, dass es einen Vizepräsidenten gibt, der sich der Entbürokratisierung widmet. Damit das schlechte Gewissen von Anfang an mit am Tisch sitzt.

Es gibt Spitzenkandidaten für den Job des Kommissionspräsidenten. Die Regierungschefs können aber auch jemand anderen nominieren.

Wir können nicht Spitzenkandidaten als Schaufensterpuppen für den Wahlkampf ins Fenster stellen – und am 25. Mai nehmen wir sie raus. Die Menschen würden sich veräppelt vorkommen. Deswegen wird es am Ende um Schulz oder Juncker gehen.

Juncker sagt: Zu viel Europa im Kleinen tötet Europa im Großen. Bei welchen "großen" Themen braucht es mehr Europa?

Wir erleben bei der Ukraine, dass die EU in der Außenpolitik geschlossener auftreten muss. Ich glaube auch, dass wir an europäische Verteidigungsstrukturen zu denken haben. Lettland oder Litauen sind nicht in der Lage, sich vor Russland zu schützen. Das geht nur im Verbund. Da geht es mehr um politischen Willen als um neue Verträge. Es muss akzeptiert werden, dass nicht 28 Außenminister einstimmig etwas beschließen müssen, ehe die Hohe Beauftragte es verkünden darf.