Politik/Ausland

Nach Spitalsentlassung: Johnsons Dank an NHS-Krankenschwestern geht viral

Kaum aus dem Spital entlassen, hat den britischen Premier Boris Johnson die politische Realität wieder eingeholt. Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, wo er drei Nächte auf der Intensivstation verbringen musste, bedankte er sich via Social Media beim Personal - speziell jenen zwei Krankenschwestern, die für ihn zuständig waren, und das höchst emotional.

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"Das NHS hat mein Leben gerettet", sagte er etwa. Das NHS, kurz für National Health Service, ist seit Jahren ein Politikum - den Briten ist das für alle zugängliche Gesundheitssystem sehr wichtig, und Labour sieht es stets unterfinanziert. Zudem arbeiten viele Menschen mit Migrationshintergrund dort - sie gelten als Systemerhalter.

Dass die zwei Schwestern, die sich um Johnson kümmerten, ebenfalls keine Britinnen waren - die eine stammt aus Neuseeland, die andere aus Portugal -, muss der rekonvaleszente Premier sich jetzt auf Social Media anhören. Da wird ihm zwar alles Gute gewünscht und er für seinen Dank gelobt, aber er muss sich auch Fragen wie diese anhören: "Hier eine Erinnerung an die Anti-Immigrations-Rhetorik der Leave-Kampagne aus 2016", twittert etwa der Politikchef der Financial Times. Darunter steht eine Anzeige von damals, auf der Folgendes zu lesen ist: "Durch die EU-Migration wächst Großbritannien jedes Jahr um die Größe von Newcastle - das bringt das NHS unter Druck. #KontrolleÜbernehmen."

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60.000 Retweets

Dass Johnson im Zuge der Brexit-Kampagne - fälschlicherweise, wie man jetzt weiß - versprochen hatte, jene Millionenbeträge, die angeblich an die EU gehen sollen, dem NHS zukommen zu lassen, wird ihm ebenso vorgehalten.

Viele Social-Media-Nutzer wünschten dem Premier allerdings nur das Beste - er war ja, wie er selbst sagte, tatsächlich in höchst angeschlagenem Zustand. "Es hätte auch anders ausgehen können", bestätigt er in dem Video, das mittlerweile beinahe 60.000 Mal retweetet wurde.

"Wie weggeblasen"

Jene zwei Krankenschwestern, die sich um den Premier kümmerten, sind wiederum komplett überwältigt gewesen von der Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wurde. "Die wohl surrealste Zeit in ihrem Leben" sei das gewesen, hätten die Eltern der Neuseeländerin Jenny McGee gesagt, berichtet die BBC. Ihr Bruder sagte, sie sei "wie weggeblasen" gewesen von dem Lob.

Beide Krankenschwestern sagten, sie hätten sich um Johnson gekümmert wie um jeden anderen Patienten. In Neuseeland und Portugal wurden die beiden von Angehörigen und sogar Politikern gelobt, wie britische Medien am Montag berichteten.

100.000 Mitarbeiter fehlen

Die Debatte um das NHS wird Johnsons Aufenthalt damit sicherlich weiter befeuern. Der staatliche Gesundheitsdienst ist chronisch unterfinanziert, und viele Stellen sind nicht besetzt. Einem Bericht der Stiftung Health Foundation zufolge fehlen dem NHS mehr als 100.000 Mitarbeiter, darunter 44.000 Pflegerinnen und Pfleger. Der Ausstieg aus der Europäischen Union habe das Problem noch verschärft.

Ausfall für Wochen

Johnson selbst erholt sich von seiner Infektion auf dem englischen Landsitz Chequers. Das Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert nordwestlich von London ist seit etwa 100 Jahren der Landsitz des jeweils amtierenden Premiers.

Dort hält sich auch Johnsons schwangere Verlobte Carry Symonds auf. Sie hatte sich nach eigenen Angaben ebenfalls mit dem Erreger angesteckt und war mit eher milden Symptomen in Isolation. Es wird damit gerechnet, dass Johnson noch mehrere Wochen fehlen könnte, er wird von Außenminister Dominic Raab vertreten.