Coronavirus in Israel: Ärger über „drakonische“ Maßnahmen
Von Norbert Jessen
„Wir haben nicht einen einzigen Gast in irgendeinem Quarantäne-Zustand. Alle können sich frei bewegen“, stöhnt die Presse-Sprecherin Israels größter Hotel-Kette. Sie kommt den Anfragen kaum noch nach. Wobei niemand genau weiß, wie eine neue Anweisung der Gesundheitsbehörde umgesetzt werden soll: Besucher aus Österreich, Schweiz, Deutschland und anderen mitteleuropäischen Staaten können in Israel nur noch einreisen, wenn sie sich zu einer zweiwöchigen Quarantäne verpflichten. Nicht gerade ideal für Urlauber. Bürokratische Beschlüsse sind oft schneller als ihre Durchführung. Aber auch schneller als das Coronavirus?
Wien - Tel Aviv
Als die Passagiere eines Fliegers in Tel Aviv am Mittwoch kurz vor dem Start nach Wien von der Anweisung hörten, verließen einige Hals über Kopf die Maschine. Die Pflicht-Quarantäne gilt auch für Israelis, die aus diesen Ländern zurückkehren. Israels Fluggesellschaft kündigte infolge des bereits spürbaren Absinkens der Passagier-Zahlen die Kündigung von 1000 ihrer 6000 Angestellten an. Auch die Hotels fürchten um den seit Jahren alle Rekorde brechenden Touristen-Ansturm auf Israel.
Im Österreichischen Hospiz in der Jerusalemer Altstadt kann noch niemand die Folgen abschätzen: „Alles ist unklar. Auch die Botschaft kennt noch nicht alle Details.“ Auch nicht Israels Außenministerium. Die verweisen an die Konsularabteilung und die ans Gesundheitsministerium. Die an ihre Notfallnummer und die bedauert per Anrufbeantworter die lange Wartezeit. Die Webseite kollabierte schon am Mittwoch.
100.000 müssen in Quarantäne
Israels Medien kritisieren die Anweisungen des Ministeriums als „unklar und drakonisch“. Was die Panik-Stimmung nicht gerade abschwächt. An die 100 000 Israelis müssen sich demnach bereits Zuhause in Quarantäne halten. Einige Bürgermeister und Schuldirektoren forderten bereits die Verlängerung der Ferien zum Purim-Karneval nächste Woche. Vorsorglich und ohne Anweisung der Behörden. Narren-Umzüge fallen ohnehin aus wie alle Großveranstaltungen mit über 5000 Teilnehmern.
2400 Schüler sitzen bereits Zuhause in Quarantäne, nachdem eine Rektorin als Virus-Trägerin identifiziert wurde. Fernunterricht per Computer wie ein erster Versuch mündliche Abitur-Prüfungen per Video-Konferenz durchzuführen, endeten erfolglos. Die Millionen-Unkosten tragen die Bürger, sprich Arbeitgeber, selbst. Erst wenn der Notstand ausgerufen werden sollte, müsste die Staatskasse zahlen. Eine Radio-Kommentatorin: „Der Staat arbeitet, als wäre Notstand. Aber er ruft ihn nicht aus.“
Am Donnerstag erließ das Palästinensische Gesundheitsamt ein umfassendes Einreiseverbot für Touristen. Bereits vor zwei Wochen mussten Kellner und Hotel-Personal in Bethlehem in Quarantäne, nachdem sie Kontakt mit einer südkoreanischen Reisegruppe hatten. Diese Woche wurde das Virus in einer griechischen Gruppe entdeckt. In den Palästinensergebieten ist der Tourismus die wichtigste der ohnehin nur wenigen Einnahmequellen.
Fehler der anderen
Mosche Bar Simantov von der israelischen Gesundheitsbehörde: „Wir versuchen aus den Fehlern anderer zu lernen. Wir können so die Verbreitung des Virus verlangsamen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Virus in Europa Massen befällt. Schon in zwei Wochen werden uns alle dankbar sein.“
Als sich in den 1990-er Jahren in Europa der BSE-Rinderwahn ausbreitete, blieb Israel weitgehend verschont. Der Chefveterinär hatte noch vor ihrem Ausbruch den Import von Futter verboten, das sich später als verseucht herausstellte. Aus Gründen, die nur indirekt mit der Seuche zu tun hatten. Die Futter-Importeure warfen ihm damals Panik-Mache vor.