Politik/Ausland

Chinas neuer Premier in Berlin

Seit März ist der neue chinesische Regierungschef Li Keqiang im Amt und schon führt ihn seine erste Reise nach Europa in dessen zwei wichtigsten Länder für China: Die kleine Schweiz und das größte EU-Land Deutschland. Während er mit der Schweiz am Samstag ein weitgehend problemloses Freihandelsabkommen unterzeichnete, steht sein Besuch in Deutschland unter gespannter Aufmerksamkeit.

Denn der zweit- und der viertgrößte Exporteur der Welt versuchen, einen Handelskrieg im allerletzten Moment zu verhindern: Aufgestachelt von einem Teil der deutschen Solarindustrie will die EU-Kommission China Strafzölle, vor allem für dessen Solarmodule und Telefon-Ausrüstungen verpassen, wo sie Subventions-Dumping vermutet. China wiederum reagierte bisher nur mit massiven Gegendrohungen. Die würden aber überwiegend Deutschland, den wichtigsten Handelspartner Chinas in der EU, treffen: Für dessen Auto- und Maschinenbau ist es inzwischen der wichtigste Einzelmarkt. Umgekehrt ist Deutschland auch Chinas wichtigster Absatz- und Investitionsstandort in der EU.

Marktverzerrungen

Kanzlerin Merkel, die Li am Sonntag Nachmittag zuerst im Kanzleramt und abends im Regierungs-Gästeschloss Meseberg bei Berlin feierlich empfing, versucht, diese brisante Mischung aus Interessens- und Gesichtswahrung aller Beteiligten zu entschärfen. Das wird nicht leicht.

Denn der Anstoß zum befürchteten Handelskrieg kam aus Deutschland: Ein Erzeuger von Solarmodulen führte seine drohende Pleite auf die Billigkonkurrenz aus China zurück und klagte bei der EU-Kommission. Die nahm das als Anlass, sich für die jahrelange Nichtbeachtung ihrer Warnungen durch Chinas Führung mit der Drohung von Strafzöllen von bis zu 60 Prozent zu revanchieren.

Doch die deutsche Solarindustrie ist gespalten: Ein Teil ist gegen jede Drohung und hat am Freitag sogar auf den Straßen Brüssels gegen die Kommissions-Pläne demonstriert. Denn Deutsche wie Chinesen wissen, dass die deutsche Solarindustrie genauso staatlich überfördert ist: Deren jetzige Überkapazitäten gehen auf die gigantische Steuergeld-Subventionierung beim Wiederaufbau der kaputten DDR sowie des Solarstroms durch die frühere rot-grüne Regierung Schröder zurück, die inzwischen gebremst wurde.

„Wir müssen versuchen, hier eine gütliche Einigung zu finden“, sagte am Freitag Merkels Sprecher Steffen Seibert. Und ihr Stellvertreter und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnte: „Die Spirale des Protektionismus wäre ein Fehler, sie kann nur schwer verlassen werden“. Er forderte die EU-Kommission zu einer einvernehmlichen Lösung auf.

Äußerlich aber ist Lis 48-Stunden-Besuch in und um Berlin einer im Land des Lächelns: Li gilt als Freund Deutschlands, seit es ihn als KP-Funktionär 1990 trotz des Massakers am Tianamen-Platz einlud. Trotz des Zollstreits wird heute, Montag, ein zweistelliges Milliardenprogramm für beidseitige Investitionen unterschrieben.