Politik/Ausland

Chef von Türkischer Gemeinde in Deutschland kritisiert Ankara

Nach der Rede des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Oberhausen hat der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, deutliche Kritik an Ankara geübt. "Die Regierung der Türkei macht eine Kampagne, bei der Gegner der Reform als Staatsfeinde oder Terroristen denunziert werden", sagte Sofuoglu den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntagsausgaben).

"Ich appelliere an die Türken in Deutschland, sich kritisch mit der Reform in der Türkei auseinanderzusetzen und sich die Demokratie der deutschen Verfassung zum Vorbild zu nehmen", sagte Sofuoglu. Die Türkei erinnere ihn derzeit "eher an eine Autokratie" als an eine Demokratie.

"In einer Demokratie muss das möglich sein"


Dass Yildirim am Samstag in Oberhausen auftreten durfte, hält Sofuoglu dennoch für richtig. "Es ist in Ordnung, dass der türkische Ministerpräsident in Deutschland für die Verfassungsänderung wirbt", sagte er. In einer Demokratie müsse dies möglich sein, "auch wenn die geplante Reform in der Türkei das Land noch weiter von einer Demokratie entfernt".

Die Kundgebung in Oberhausen stand unter dem Motto "Wer sein Land liebt, sagt Ja". Das geplante Präsidialsystem würde Staatschef Recep Tayyip Erdogan mehr Macht einräumen und das Parlament schwächen. An der Volksabstimmung darüber am 16. April können sich auch die in Deutschland lebenden türkischen Bürger beteiligen.

"Erdogan übt sich gerade in Trump-Manier"


Scharfe Kritik übte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland auch an der Festnahme des Welt-Journalisten Deniz Yücel durch die türkische Polizei. "Es ist entsetzlich, dass Journalisten in der Türkei aufgrund ihrer Arbeit verhaftet werden", sagte Sofuoglu. "Erdogan übt sich gerade in Trump-Manier", fügte er mit Blick auf den rechtspopulistischen US-Präsidenten Donald Trump hinzu.

Yücel war bereits am Dienstag in Istanbul in Polizeigewahrsam genommen worden (der KURIER berichtete). Die Behörden werfen dem Türkei-Korrespondenten der "Welt" Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Datenmissbrauch und Terrorpropaganda vor. Der Deutsch-Türke hatte nach "Welt"-Angaben wie andere internationale Journalisten über E-Mails berichtet, die das linksgerichtete türkische Hacker-Kollektiv RedHack aus dem privaten Mail-Konto des türkischen Energieministers Berat Albayrak beschafft hatte.