CDU-Parteivorsitz: Späte Revanche der Gegner
Alle reden über ihre Nachfolger, dabei sie ist ja noch da. Im violetten Blazer, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, fühlte sich Angela Merkel am Montag dennoch zu einer Erklärung verpflichtet. Warum sie nach der Präsidiumssitzung vor der Presse steht: Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Aufgabe es gewesen wäre, lässt ihre Rolle als Generalsekretärin ruhen, will sich auf ihre Kandidatur fokussieren, erklärt die Noch-Parteichefin.
Während sich die 56-jährige Kramp-Karrenbauer noch still verhält, machen die anderen Bewerber um Merkels Amt laut auf sich aufmerksam. Friedrich Merz etwa, der via Bild seine Bewerbung anheizen ließ und sich vergangene Woche der Hauptstadtpresse präsentierte. Dass sein Nachname auf der Einladung mit „ä“ geschrieben wurde, nahm der 62-jährige Wirtschaftsmann und Ex-Politiker gelassen: Ja, er war lange weg. Jetzt ist er wieder da und will dort weitermachen, wo er 2002 aufgehört hatte, sagte er. Damals musste er den Fraktionsvorsitz der Union an Merkel abgeben. In diesen Posten hatte ihn einer gebracht, der auch jetzt seine Finger im Spiel hat: Wolfgang Schäuble.
Der Ex-Finanzminister und jetzige Bundestagspräsident hat Merz einst entdeckt und gefördert. So wie er ihn nun für die Kandidatur vorbereitet hat, schreibt der Spiegel. Was beide antreibt: das Gefühl, ihnen stünde mehr zu. Merz, der verhinderte Fraktionschef und Kohl-Erbe; Schäuble, der unter Merkel gerne Bundespräsidentschaftskandidat geworden wäre, aber Merkel zog andere vor. Dass die beiden eine Achse gebildet haben, ist Merkel nicht entgangen.
Während im Sommer die Medien über ihren Urlaub rätselten, saß sie laut Spiegel mit einer Vertrauten in der Uckermark und konspirierte. Was sie sicher wusste: Das schlechte Wahlergebnis 2017, die Koalitionsverhandlungen, der Unionsstreit, die anstehenden Wahlen in Bayern und Hessen – all das spielt gegen sie. Zugleich wurde im politischen Berlin das Gerücht gestreut, Schäuble könnte Übergangskanzler werden, sollte die Koalition kippen und Merkel von allen Ämtern zurücktreten.
Es wäre im Sinne jener CDU-Männerbündler, die sich 1979 im „Andenpakt“, organisierten und als legitimere Erben Kohls sehen. Und dies untereinander regeln wollten, bis die frühere Physikerin und Generalsekretärin aus dem Osten die Gunst der Stunde nutzte. Während Kohl, Schäuble und andere 1999 über die CDU-Spendenaffäre stolperten, stieg Merkel auf. Nicht nur das missfiel: Auch ihr Mitte-Kurs, wie die Abschaffung der Wehrpflicht, der Ausstieg aus der Atomenergie, die Abstimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Vieles davon sind Themen, die sie dem politischen Gegner abgegraben hat, 2013 mit Erfolg, da holte sie 40 Prozent, wie Kohl 1994.
Häme für Spahns Video
Einer, der die Partei dort wieder mit konservativerem Profil sehen will, ist Jens Spahn. Er gehört ebenfalls zu Schäubles Zöglingen. In seinem Ressort avancierte er zum Finanzstaatssekretär, ließ aber mehr beim Thema Migration von sich hören. Das will der Noch-Gesundheitsminister auch als künftiger CDU-Chef zu seiner Agenda machen, schrieb er in der FAZ. Und ließ am Wochenende ein Bewerbungs-Video folgen: schnelle Musik, Schnitte in Halbperspektive, dicke Überschriften. Die Ähnlichkeit zu Christian Lindners FDP-Kampagne ist groß, ebenso der Spott, den er dafür kassierte.
Offline muss Spahn vor dem Parteitag noch auf einer der acht Regionalkonferenzen überzeugen, die Merkel ankündigte. Spätestens da wird Kramp-Karrenbauer aus der Deckung kommen. Nicht auszuschließen, dass sie es in Merkel-Manier angeht: Während andere lärmen, räumt sie still ab.