"Die Menschen im Europa-Viertel leben auf einem Pulverfass"
Ein beißender Geruch liegt in der Luft, vor der geschlossenen U-Bahn-Station Maelbeek in der Rue de la Loi stinkt es noch immer nach Rauch. Am Gehsteig stehen Angehörige von Opfern und weinen. Andere legen Blumen nieder und zünden Kerzen an. Die Stimmung ist bedrückend.
Alle paar Minuten jagen Polizei-Autos mit Sirenengeheul durch die Straßen, täglich finden Razzien statt.
Gesucht wird immer noch der dritte Attentäter vom Airport, der "Mann mit dem Hut". Ein Terrorverdächtiger, der nach Medienberichten angeblich der "dritte Mann" gewesen sein soll, wurde am Montag wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Anwalt von Fayçal C. sagte, sein Mandant sei während der Attacken zu Hause gewesen und unschuldig. Gegen ihn wird weiter ermittelt.
"Er wohnt in der Rue Franklin gleich hinter der Kommission", weiß die Geschäftsfrau. "Die Menschen im Europa-Viertel leben auf einem Pulverfass", sagte die Buchhändlerin zum KURIER. Sie ist wütend auf die Behörden, die die islamistische Szene und den Dschihadisten-Hotspot Molenbeek völlig aus den Augen verloren haben. "Ein normales Leben ist in Brüssel nicht mehr möglich." Ihrer Meinung nach hänge das auch mit den vielen Muslimen zusammen. "Sie haben ihre eigenen Schulen und Zentren, kein Mensch weiß, was dort passiert. Radikale Gruppen und Saudi-Arabien geben das Geld." Was die Dame aufgebracht erzählt, wird in der Brüsseler Gesellschaft offen diskutiert: Das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen , ihre Beziehung zueinander.
Von der Rückkehr zur Normalität kann in der belgischen Hauptstadt keine Rede sein. "Alle haben Angst, aber keiner sagt es laut", betont der afrikanische Taxi-Chauffeur. Er hat jetzt eine Fahrt nach der anderen, kaum jemand will die U-Bahn benützen. Der Betrieb wurde gestern, Mittwoch, wieder teilweise aufgenommen, die Haltestelle Maelbeek bleibt aber nach Angaben der Brüsseler Verkehrsbetriebe noch Wochen außer Betrieb.
Sehr sparsam werden die Informationen über den Flughafen Zaventem weitergegeben. In der Abflughalle sprengten sich am Dienstag vergangener Woche zwei islamistische Attentäter in die Luft und beschädigten den Airport schwer. Die Lufthansa hat bis Sonntag alle Flüge nach Brüssel gestrichen.
Indessen häufen sich Hinweise auf Pannen bei den belgischen Sicherheitsbehörden. Die niederländische Regierung wurde nach eigenen Angaben sechs Tage vor den Anschlägen in Brüssel von den USA über die späteren Attentäter Ibrahim und Khalid El Bakraoui informiert – und leitete die Hinweise auch an Belgien weiter. Die belgische Polizei, die bereits wegen angeblich ignorierter Warnungen der Türkei in der Kritik steht, weist die Angaben zurück.
Ungeachtet der gegenseitigen Schuldzuweisungen verfolgt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Agenda. Gestern empfing er den kasachischen Präsidenten Nazarbayev und eröffnete den EU/Indien-Gipfel.