"Ich schäme mich": Anwalt packt über Ex-Chef Trump aus
Von Dirk Hautkapp
Es war ein Fernduell historischen Ausmaßes. Während Amerikas Präsident in Vietnam den Versuch unternahm, das nordkoreanische Atomwaffen-Arsenal zu entschärfen, schoss sein langjähriger Privat-Anwalt und „Ausputzer“ Michael Cohen in Washington mit schärfster Munition auf seinen einstigen Boss. In einer live im Fernsehen übertragener Anhörung vor dem Kongress-Komitee für Regierungskontrolle bezeichnete der 52-Jährige Trump gestern als „Betrüger, Hochstapler und Rassisten“.
In der teilweise von offener Verachtung für Cohen geprägten Vernehmung verlegten sich fast alle republikanischen Abgeordneten darauf, einige darunter in rhetorischem Kampfhund-Stil, die Glaubwürdigkeit Cohens zu zerstören. Sie bezeichneten ihn als pathologischen Lügner.
Auffällig: Niemand aus der Partei, die den Präsidenten trägt, unternahm den Versuch, Trump in der Sache zu verteidigen.
Live-Stream aus dem Kongress
Cohen war mit einem Malus in Größe XXL angetreten: Ende 2018 wurde der zweifache Familienvater in New York wegen Betrugs, Meineids und illegaler Wahlkampffinanzierung verurteilt; unter anderem wegen der Schweigegeldzahlung an Story Daniels, mit der Trump eine Sex-Affäre gehabt haben soll. Cohen geht dafür und für schwere Steuervergehen ab Mai drei Jahre ins Gefängnis. Er arbeitet allerdings eng mit Robert Mueller, Sonder-Ermittler in der Russland-Affäre, und der Staatsanwaltschaft in New York zusammen, die auf vielen Feldern Trump im Visier hat, und erhofft sich Strafmilderung.
Das Weiße Haus warf Cohen dreiste Lügenmärchen vor. Trump-Sohn Eric sprach von einer „Clown-Show“, während sein Vater Weltpolitik mache.
Teilweise den Tränen nahe und mit mehrfach stockender Stimme, gestand Cohen seine Verfehlungen gestern wortreich ein, entschuldigte sich mehrfach bei den Abgeordneten, seiner Familie und dem amerikanischen Volk. Ein scharfer Kontrast zu dem Mann, der Journalisten und politische Widersacher früher am Telefon bedrohte und sich rühmte, seine Loyalität zu Donald Trump gehe so weit, dass er „sich eine Kugel für ihn einfangen würde“.
Bei einer ersten Anhörung im vergangenen Jahr sei er gekommen, um Trump „zu beschützen“, sagt Cohen kleinlaut. Darum die Lügen. „Heute bin ich gekommen, um die Wahrheit zu sagen.“ Er schäme sich „für meine Schwäche und meine fehlgeleitete Loyalität“. Auf die Frage, ob Trump imstande sei, mit ausländischen Stellen zu paktieren (gemeint waren die Russen vor der Wahl 2016), sagte Cohen laut und vernehmlich: „Ja“. Zusatz: „Donald Trump macht alles, um zu gewinnen. Immer.“
Cohen behauptet, dass Trump über seinen Polit-Kumpel Roger Stone frühzeitig im Bilde war, dass die Enthüllungsplattform WikiLeaks im Präsidentschaftswahlkampf 2016 von russischen Hackern gestohlene E-Mails der US-Demokraten veröffentlichen würde, um Hillary Clinton zu beschädigen.
Um den Nachweis zu führen, dass er für Trump die Schweigegeldzahlung an Stormy Daniels bewerkstelligt hat, zeigte Cohen die Kopie eines Schecks über 35 000 $. Von Trumps persönlichem Konto, vom Präsidenten im Sommer 2017 unterzeichnet. Als erste Raten-Rückzahlung für die 130 000 $, die Daniels erhielt, damit sie nicht über einen angeblich mehr als zehn Jahre zurückliegenden One-Night-Stand mit Trump plaudert, den der Präsident kategorisch abstreitet.
Die Versuche der Republikaner, Cohen als unbrauchbaren Lügner zu brandmarken, liefen sich bereits in den ersten fünf Stunden der Vernehmung zusehends tot. Zumal Cohen sich immer wieder bereitwillig zu seiner schweren Schuld bekannte und betonte, dafür im Gefängnis die Verantwortung zu übernehmen.
So ging beinahe unter, dass der kürzlich seiner Anwaltslizenz verlustig gegangene Jurist, Trump mehrfach als Zyniker darstellte. Cohen berichtete, das Trump bei einer Auktion über einen Fake-Bieter für 60 000 Dollar ein Öl-Porträt von sich ersteigern ließ. Das Geld sei aus Trumps Wohltätigkeitsstiftung zweckentfremdet worden, die kürzlich auf Drängen der Staatsanwaltschaft in New York liquidiert wurde. Wo das Bild jetzt hängt? In einem von Trumps Golf-Klubs.
Cohen-Anschuldigungen im Überblick:
Wahl-Manipulation: Dass die Enthüllungsplattform WikiLeaks im Wahlkampf 2016 von russischen Hackern gestohlene eMails der Demokraten veröffentlichte, ist durch Sonderermittler Robert Mueller belegt. Was Trump darüber wusste, ist strittig.
Cohen beschreibt ein im Juli 2016 in seinem Beisein geführtes Telefonat zwischen Trump und dessen Freund Roger Stone. Stone habe Trump mitgeteilt, dass Wikileaks in „ein paar Tagen“ massenhaft eMails veröffentlicht werde, „die Hillary Clintons Kampagne beschädigen würden“. Trump darauf: „Wäre das nicht großartig?“
Russland-Affäre I: Cohen hat den Verdacht, dass Trump von einem für Muellers Ermittlungen bedeutsamen Treffen seines Sohnes mit einer Kreml-nahen Anwältin im Juni 2016 vorab gewusst habe. Die Juristin soll belastendes Material über Hillary Clinton angeboten haben.
Trumps Sohn habe laut Cohen vor dem Meeting seinem Vater zugeflüstert: „Für das Treffen ist alles geregelt.“ Trumps Antwort: „Okay, gut. Sag mir Bescheid.“ Offiziell sagt Trump bis heute, er habe von dem Treffen nichts gewusst.
Russland-Affäre II: Cohen bezichtigt Trump, ihn indirekt zur Lüge über ein letztlich gescheitertes Immobilien-Projekt in Moskau angestiftet zu haben. Cohen hatte dieses im Auftrag Trumps bis hin zu Gesprächen mit Vertrauten Wladimir Putins vorangetrieben.
In seiner ersten Anhörung vor dem Kongress 2018 sagte er dann, dass das Projekt weit vor der Wahl zum Stillstand gekommen sei. Diese falsche Aussage sei ihm von Trumps Anwälten diktiert worden, um Interessenskonflikte zu dementieren, so Cohen.
Schweigegeld für Ex-Geliebte: Im Fall „Stormy Daniels“ präsentierte Cohen gestern die Kopie eines Schecks über 35.000 Dollar von Trumps persönlichem Konto, den der Präsident ein halbes Jahr nach Amtsantritt unterzeichnet hatte – die erste Rate, um Cohen die an Daniels gezahlte Gesamt-Summe von 130.000 Dollar zu erstatten.
Schwindel und Betrug: Cohen legte Briefe vor, die er in Trumps Auftrag dessen frühere Schulen und Universitäten geschrieben habe. Diese sollten vor der Wahl 2016 auf keinen Fall Trumps Noten veröffentlichen.
Cohen sagte auch, dass Trump sein Vermögen je nach Situation klein- bzw. groß gerechnet habe. Um auf die Milliardärsliste bei „Forbes“ zu kommen, machte er sich reicher. Um Steuern zu sparen oder Kredite zu bekommen, machte er sich „ärmer“.