Brexit: May riskiert laut Medien Regierungs-Kollaps
Die britische Premierministerin Theresa May riskiert einem Zeitungsbericht zufolge im Brexit-Streit den Zusammenbruch ihrer Regierung, falls sie ihren Brexit-Vertrag nicht durch das Parlament bekommt. Mindestens pro-europäische Minister wollten zurücktreten, sollte May sich für einen EU-Austritt des Vereinigten Königreiches ohne Folgeabkommen entscheiden, berichtete die "Sunday Times".
Zugleich wollten mehrere Brexit-Anhänger in der Regierung ihr Amt niederlegen, sollte sich May für eine Zollunion mit der Europäischen Union oder einen langen Brexit-Aufschub entscheiden.
Das britische Parlament hatte am Freitag zum dritten Mal gegen Mays Austrittsabkommen gestimmt. Am Montag wollen die Abgeordneten in einer zweiten Runde von Probeabstimmungen selbst nach einer Alternative suchen. Einem Bericht der "Mail on Sunday" zufolge könnte es am Dienstag zu einer Stichwahl zwischen Mays Abkommen und dem Vorschlag des Parlaments kommen. Sollte es zu Neuwahlen kommen, liegt einer Umfrage der "Mail on Sunday" zufolge die oppositionelle Labour-Partei fünf Prozentpunkte vor Mays konservativer Partei.
Mehr als sechs Millionen Menschen haben über die parteipolitischen Querelen hinaus bis Sonntag eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU unterzeichnet. An diesem Montag soll im Unterhaus in London über die Petition debattiert werden. Die Regierung hat allerdings bereits mitgeteilt, dass sie eine Rücknahme der Austrittserklärung ablehnt und sich an das Referendum von 2016 gebunden fühlt.
Demo an kritischer Grenze
An der Grenze zwischen Nordirland und Irland haben am Samstag unterdessen mehrere hundert Menschen gegen einen EU-Austritt Großbritanniens demonstriert. Zu den rund 300 Demonstranten, die sich auf einer Brücke nahe der nordirischen Grenzstadt Newry versammelten, zählten auch der frühere Sinn-Fein-Chef Gerry Adams und seine Nachfolgerin Mary Lou McDonald.
Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die Initiative Grenzgemeinden gegen den Brexit. Einige Teilnehmer hatten sich als Grenzbeamte verkleidet. Einer der Redner prangerte den "Chaos-Zirkus" im britischen Parlament an, welches das Brexit-Abkommen mit der EU nun schon drei Mal abgelehnt, aber keine tragfähige Alternativlösung präsentiert hat. Daher droht nun am 12. April ein harter Brexit.
"Sie haben sich in eine Sache gestürzt, die sie nicht wirklich durchdacht haben", sagte der an der Grenze wohnende Kartoffelhändler Jimmy Myers der Nachrichtenagentur AFP. Die Wissenschaftlerin Patricia McGenity beklagte bei der Kundgebung, statt einer Stunde werde ihr Weg zur Arbeit künftig voraussichtlich deutlich länger dauern, weil sie auf jedem Weg drei Mal eine Grenze passieren müsse.
Viele Nordiren und Iren fürchten, dass durch den geplanten Brexit wieder eine "harte" Grenze zwischen dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland und dem EU-Mitglied Irland entsteht. Das Thema zählte zu den strittigsten Punkten bei den Brexit-Verhandlungen.
Im Falle eines Brexits ohne Abkommen droht die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Dies würde das Karfreitagsabkommen von 1998 gefährden, das den jahrzehntelangen blutigen Konflikt zwischen irisch-katholischen Nationalisten und protestantischen Loyalisten beendet hatte. Wesentlicher Bestandteil ist eine Grenze ohne Kontrollen zu Irland. Beim Brexit-Referendum im Juni 2016 hatten 56 Prozent der Nordiren gegen einen Austritt aus der EU gestimmt.