Politik/Ausland

Blauhelme: Lizenz zum Waffengebrauch

Künftig könnten auch österreichische Blauhelm-Soldaten in Feuergefechte mit syrischen Bürgerkriegsparteien verwickelt werden: Während die 300 unbewaffneten UNO-Beobachter ihre Arbeit eingestellt haben, weil sie um ihr Leben fürchten, gibt es für die bewaffneten UNO-Beobachter in der syrisch-i­sraelischen Truppentrennungszone (UNDOF) auf dem Golan einen neuen Auftrag. Die Zentrale in New York will, dass sie notfalls mit Waffengewalt gegen die Armee und Bürgerkriegsmilizen einschreiten, wenn das Leben von Zivilisten in Gefahr ist.

Die UNDOF-Blauhelme überwachen seit 1974 die e­twa 70 Kilometer lange und bis zu zehn Kilometer breite Truppentrennungszone am Golan. Die Beobachterstützpunkte liegen in einem dicht besiedelten Gebiet. Die größte Stadt ist Kuneitra, die nach ihrer Zerstörung vom neu errichteten Ort Khan A­rnabe abgelöst wurde. Für die zivile Sicherheitsverwaltung ist die syrische Regierung zuständig.

Der seit März 2011 tobende Bürgerkrieg hat am Rand und innerhalb der Zone bislang nur zu zwei kleineren Zwischenfällen geführt. Nach Damaskus sind es aber nur 60 Kilometer, das heftig umkämpfte Daraa liegt nur 30 Kilometer entfernt.

Für Beobachter ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch der Golan zum Unruheschauplatz wird. Und da werden traumatische Erinnerungen an den jugoslawischen Bürgerkrieg wach. Müssen auch in Syrien UNO-Soldaten hilflos zuschauen, wie Zivilisten abgeschlachtet werden?

Neue Interpretation

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"Nein", sagt Generalleutnant Christian Segur-Cabanac gegenüber dem KURIER. Segur-Cabanac ist Einsatzchef des Bundesheeres und damit auch für den Golan-Einsatz verantwortlich. Die Vorgaben für das Bataillon kommen aus der UN-Zentrale in New York. Zwar habe sich das Mandat von 1974 formal nicht verändert, aber es gäbe jetzt eine "weiterführende Interpretation" des Mandats. Und dieses sehe zusätzlich zu den bisherigen rein militärischen Beobachteraufgaben jetzt auch die "Wahrung von UNO-Rechtsbestand" vor. Dazu gehört auch das Völkerrecht.

Damit hat bei Gewaltakten gegen Zivilisten der U­NDOF-Kommandant die Freigabe zum Einschreiten. Das gilt nur für die Pufferzone. Werden UNO-Soldaten etwa bei einer Versorgungsfahrt nach Damaskus Zeugen von Übergriffen, dürfen sie sich nicht einmischen.

Drohende Gefahr

Einen Grund für die nun sehr offensive "Interpretation" der UNO vermutet Segur-Cabanac im Besuch von Verteidigungsminister Norbert Darabos bei UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon. Darabos hatte nachdrücklich auf die drohende Gefahr hingewiesen. Als weitere, wertvolle Errungenschaft bezeichnet Segur-Cabanac das jüngst novellierte Auslandseinsatzgesetz. Das regelt die Befugnisse bis hin zum Waffengebrauch.

Bisher litten die Soldaten unter Rechtsunsicherheit. Etwa jener Jagdkommandosoldat, der 1999 beim albanischen Flüchtlingslager Shkodra einen Angreifer erschoss. Er musste sich ebenso vor einer Verfolgung durch die Justiz fürchten, wie jene Soldaten, die sich mit einer räuberischen Bande im Tschad ein Feuergefecht lieferten. Mit dem neuen Gesetz ist Segur-Cabanac höchst zufrieden: "Abgesichert durch die internationale und zusätzlich jetzt auch nationale Rechtslage, können unsere Soldaten nun problemlos agieren."

Dass die Blauhelme mit ihren leichten Infanteriewaffen plötzlich der syrischen Armee gegenüberstehen, glaubt man im Verteidigungsministerium nicht. Denn ein Überschreiten der "Bravo-Linie" durch syrisches Militär würde in Israel Reaktionen auslösen, die das Regime in Damaskus nicht will. Also kommen als Aggressoren nur syrische Paramilitärs infrage. Und denen würden die österreichischen Blauhelme "in gleicher Augenhöhe" gegenüberstehen.

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