Politik/Ausland

Wie „Zauderkünstlerin“ Merkel tickt

Keines der Bücher über Angela Merkel kommt ihr so nah wie das von Bild-Vizechef Nikolaus Blome. Als oberster Innenpolitiker des einflussreichsten Mediums der Nation begleitet und interviewt er die Kanzlerin öfter als sonst wer. So kann er die Diskretion leichter lüften, die Merkels Markenzeichen ist – neben dem abwartenden Politikstil als „Zauderkünstlerin“.

Angela Merkel ist normal, ziemlich normal.“ Diese Bestätigung des allgemeinen Eindrucks bezieht er natürlich auf den Lebensstil, nicht auf den brillanten Intellekt, ohne den man nicht so lange deutscher Kanzler ist. Ihre Normalität sei authentisch, nicht gespielt – wie von vielen Politikern der Top-Liga.

Blomes Beispiele sind reichlich: Ja, sie koche auch und am liebsten Rindsrouladen, sie mache ihrem Mann, dem Nobelpreis-verdächtigen Physikprofessor Sauer, das Frühstück. Sie hasse Gewitter und große Hunde – was Russlands Premier Putin mit seinem Labrador „Koni“ im Kreml zu ihrer Einschüchterung nutzte.

Merkel, die kaltblütige Denkerin, könne auch richtig emotional sein. Dann gebrauche sie auch Kraftausdrücke wie „Scheiße“. Und: „Ihr Lachen ist ansteckend.“

Wenn die Stimmung gut ist, könne sie ordentlich Weißwein trinken und fachgerecht über Fußball reden. Und wenn sie im Kreise Vertrauter noch besser sei, wird Merkel Spitze im Imitieren prominenter Gesprächspartner: Koalitionsvize Westerwelle, Ex-CSU- Chef Stoiber und Italiens Ex-Premier Berlusconi kann sie gut. Perfekt drauf hat sie auch Frankreichs Ex-Staatschef Sarkozy – aber das steht nicht in dem Buch.

„Fragen als Kompass“

Zu ihren weniger bekannten Stärken gehöre auch körperliche Kondition: Selbst sehr wenig Schlaf reiche ihr für hochkonzentrierte 18-Stunden-Arbeitstage, sie hole ihn an Wochenenden nach.

Blome berichtet nicht nur, er analysiert auch überwiegend positiv. Für ihn ist Merkel „keine machthungrige Opportunistin“ wie für viele ihrer Gegner, auch in der CDU, sondern „neugierig“ und rundum Pragmatikerin. Der DDR-Bürgerin seien alle Gewissheiten ausgetrieben worden, die andere, wie etwa die Grünen, zur Schau tragen: „Ihr Korsett, ihr Kompass, das sind Fragen.“

Dass sie die Euro-Rettung als „alternativlos“ verkaufe, kritisiert Blome. Als überzeugte Europäerin habe sie aber „ Deutschland vollends nach Europa gebracht“. Und als CDU-Chefin sei ihr historisches Verdienst, die Partei ohne Rücksicht auf die Konservativen „360 Grad anschluss- und konsensfähig gemacht“ zu haben. Um sie damit als letzte Volkspartei zu bewahren.

Blomes Prophezeiung ihres Abschieds ist, wie vieles, bei Insidern in Berlin längst bekannt: Merkel wolle 2015 nach zehn Jahren im Amt aufhören – als erster deutscher Kanzler freiwillig. Das Dementi ihres Sprechers war ihr bisher einziger öffentlicher Kommentar zu dem Buch.

Nikolaus Blome; Die Zauderkünstlerin; Pantheon-Verlag; 200 Seiten; 16,99 Euro.