Politik/Ausland

Hollande bleibt trotz Protesten hartnäckig

Jules, der sich am Sonntag bei der letzten Großdemo in Paris gegen die Homo-Ehe heiser geschrien hatte, ist die Begeisterung noch tags darauf ins Gesicht geschrieben: „Wir waren eine Million“, behauptet der 22-jährige Jus-Student mit leuchtenden Augen: „So eine Bewegung kann unmöglich aufhören.“

Und doch haben maßgebliche Führungspersönlichkeiten im Kampf gegen die „Ehe für Alle“ den Aufmarsch, der laut Polizei nur mehr 150.000 Teilnehmer versammelt hatte, zur letzten großen Kundgebung erklärt. In der Zwischenzeit hatte die linke Parlamentsmehrheit das Gesetz ratifiziert und bei Umfragen hatten sich rund 70 Prozent für eine Beendigung der Demos ausgesprochen.

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Gleichzeitig waren die ursprünglichen Sprecher der Proteste zusehends ins Visier radikaler Grüppchen geraten. Das galt besonders für die Passionaria der Bewegung, Frigide Barjot (ein ironischer Künstlername, der auf das einstige Sexsymbol Brigitte Bardot anspielt, allerdings bedeutet „ barjot“ „verrückt“). Barjot ist eine eigenartige Mischung: Einerseits Gast gewagter TV-Talkshows und eingefleischte Clubberin mit einer Vorliebe für Homo-Bars, andererseits hyperkonservative Katholikin.

Mit so einer Anführerin erschienen die Demonstranten, die hauptsächlich aus dem mächtigen Netz katholischer Privatschulen und konservativster bürgerlicher Kreise stammten, spaßiger als erwartet. Die Anhänger von Barjot prägten mit ihrem coolen Outfit die Demos: Junge Männer marschierten mit rosa Latzhose und entblößtem Oberkörper zu Techno-Rhythmen, so als wären sie auf der Gay Pride. Dahinter verblassten die Träger von Lodenmänteln und Chanel-ähnlichen Kostümen.

Das war nicht nur Taktik: Jugendliche zogen mit, die Homosexualität durchaus tolerieren, aber auf der Suche nach Halt durch strengere Vorschriften sind: „Mir hat die Scheidung meiner Eltern wehgetan“, erzählt Jules: „Deshalb glaube ich, dass jedes Kind einen Papa und eine Mama braucht.“ Das zielt auf das Recht auf Adoption für schwule Ehe-Partner.

Erinnerung an 1968

Aber je länger die Bewegung andauerte, desto lauter wurden die radikalsten Anhänger der bürgerlichen Opposition, die auf eine Revanche gegen den geschwächten SP-Staatschef François Hollande hofften. Einzelne konservative Politiker sahen schon einen Art Aufstand wie im Mai 1968, nur diesmal von rechts her. Dadurch geriet die größte bürgerliche Oppositionspartei, die UMP, in eine Zerreißprobe zwischen Befürwortern und Gegnern der Proteste. Auch die Rechtsaußen-Partei „Front National“ war gespalten: Ein Teil demonstrierte, andere, darunter Parteichefin Marine Le Pen, die sich in Sittenfragen liberal zeigt und Homosexuelle gegen islamische Fundis verteidigt, blieb der Bewegung fern. Vor allem aber war die katholische Kirche, die eine entscheidende Rolle bei den Protesten spielte, über das Unbehagen und die Absetzbewegung von Kirchgängern alarmiert.

Weil Barjot für einen verbesserten Partnerschaftsvertrag für Homosexuelle als Alternative zur Homo-Ehe plädiert hatte, wurde sie von radikalen Gruppen bedroht – und suchte beim SP-Innenminister, den sie zuvor für seine „Brutalität“ kritisiert hatte, um Polizeischutz an. Hollande konnte jetzt erstmals leichte Zugewinne in Vertrauens-Umfragen verbuchen: Offensichtlich hat ihm sein Durchhalten bei der „Ehe für Alle“ einen kleinen Autoritätsgewinn eingebracht.

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