Politik/Ausland

Berîvan Aslan: "Die Gräben werden auch hier immer tiefer"

Nachgefragt.Der KURIER erreichte die grüne Frauensprecherin Berîvan Aslan am Samstagmorgen und sprach mit ihr über ...

... die Gewinner der Aktion von Freitagnacht

Die Situation stärkt eindeutig Erdogan und wird die Entwicklung in Richtung autoritäres Regime weiter vorantreiben. Der Wunsch nach Neuwahlen wird immer größer. Diese würden bedeuten, dass das von Erdogan so sehr gewünschte präsidentielle Regime Realität würde.

... die Verlierer

Für die Minderheiten wäre das eine Katastrophe! Seit einem Jahr leben Kurden mit der militärischen Eskalation in ihren Gebieten. Aber auch für die Taksim- und Demokratiebewegung sind die aktuellen Ereignisse ein schwerer Schlag. Für sie wird es seit Jahren immer schwieriger. Das Land schlittert weiter in die Eskalation.

... Schuldzuweisungen

Weil Erdogan als großer Gewinner hervorgehen wird, vermuten einige Erdogan-Gegner, dass sogar er bzw. seine Hintermänner hinter der Aktion stecken. Erdogan selbst hat nicht gezögert, seinen Widersacher Fethullah Gülen (siehe Seite 8) zu beschuldigen. Die Gülen-Bewegung allerdings verurteilt den Putschversuch. Aslan kann sich nicht vorstellen, dass es eine zentrale Anweisung von Gülen war. Auch nicht, dass Kurden oder eine andere Minderheit dahinter stecke.

... die Situation in Wien

Auch in Europa werden Anhänger von AKP und Nationalisten angehalten zu demonstrieren. Der Zweck: die Macht Erdogans sichtbar zu machen.

... die Schwierigkeiten in Österreich

Die Gräben werden auch hier tiefer. Lobbyorganisationen tragen die Erdogan-Politik nach Österreich; Paralleldemos werden organisiert, Social-Media-Kampagnen, Diffamierungen. Das zerstört unsere jahrzehntelange Integrationsarbeit. In ihrem Windschatten agieren die "Grauen Wölfe". Immer wieder werden linke türkische Vereine und Kurden angegriffen. Vielen reicht es jetzt einfach! Sie haben ohnehin schon vom Rechtsruck in Österreich die Schnauze voll. Jetzt wird auch noch der Druck von der anderen Seite stärker.

... die angemessene Reaktion der EU

Die EU muss dafür sorgen, dass ihr Kooperationspartner Türkei wieder demokratisch wird. Die Kooperation muss aber unbedingt gehalten werden, sonst schottet sich Erdogan ab. Aber wir brauchen strengere Bedingungen für die Zusammenarbeit.