Politik/Ausland

Auf Zwischenstopp in Ungarn

Mohammed Bakrs Ziel heißt Ungarn. Vor einem halben Jahr floh der 25-jährige Student zusammen mit elf Familienmitgliedern aus seiner syrischen Heimatstadt Aleppo in die Türkei. Von dort ließen sie sich über Schleichwege nach Griechenland schleppen, scheiterten dann zwei Wochen daran, nach Mazedonien zu gelangen und schafften es schließlich später doch noch bis an die Grenze zu Serbien. „Wir werden es jeden Tag wieder versuchen, bis wir in Ungarn sind“, schilderte der junge Syrer einem Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters.

600 Flüchtlinge aus Syrien haben es heuer schon vor den Bakrs nach Ungarn geschafft und Asylanträge gestellt. Sie alle kamen über die so genannte Balkanroute, wo professionelle Schlepperbanden offenbar sofort auf den wachsenden Zustrom von Flüchtlingen aus den arabischen Ländern reagierten. Trotz massiv verstärkter Wachmaßnahmen an allen Staatsgrenzen zwischen der Türkei und Ungarn wächst der Strom an Flüchtlingen, Asylsuchenden und illegalen Immigranten beson ders heuer massiv an.

16.000 Asylanträge

Während sich die Zahl der Asylanträge in Serbien heuer verdoppelt und in Bulgarien verdreifacht hat, ist sie in Ungarn regelrecht explodiert. Knapp 16.000 Menschen stellten nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR seit Jänner einen Antrag auf Asyl (im Vergleich Österreich: 11.402) – acht mal so viel wie im Durchschnitt der Vorjahre.

Nur die Wenigsten von ihnen werden Erfolg haben: Knapp 380 Asylsuchende erhielten heuer Flüchtlingsstatus oder temporären Schutz. Im Schnitt wird nur 3 Prozent aller Antragsteller von den ungarischen Behörden Asyl gewährt. Der überwiegenden Mehrheit der heuer angekommenen Asylsucher hingegen, darunter 6000 Kosovaren und fast 3000 Pakistani, droht die Abschiebung.

Ungarns Behörden, die wegen der teils haarsträubend schlechten Bedingungen bei der Unterbringung der Asylsuchenden vom UNHCR schon im Vorjahr massiv kritisiert worden waren, reagierten noch restriktiver. Für neu ankommende Flüchtlinge gibt es in den sechs zum Bersten vollen Aufnahmezentren des Landes keinen Platz mehr. „Ein Viertel aller Asylsuchenden, darunter oft Familien mit Kindern, verbringen die vier bis fünf Monate, bis über ihren Antrag entschieden wird, hinter Gittern“, schildert eine UNHCR-Sprecherin in Budapest dem KURIER. Innerhalb dieser „Asyl-Gefängnis-Einrichtungen“ dürfen sich die Insassen zwar frei bewegen, es ist ihnen aber verboten, das Areal zu verlassen.

Flucht vor dem Lager

Ein Besucher des Auffanglagers in Debrecen, wo die Insassen zwar größere Freiheiten genießen, aber unter schwierigsten hygienischen Bedingungen leben, schildert dem KURIER: „Ich habe mit vielen Flüchtlingen dort gesprochen, und die allerwenigsten wollen in Ungarn bleiben. Einer sagte: Schlimmer als hier kann es in Traiskirchen nie und nimmer sein – und er wollte es dort versuchen.“

Auch das UNHCR schildert Ungarn als Transit- und nicht als Zielland für die Flüchtlinge. Für viele von ihnen aber wird es zu einem Staat, in dem sie unfreiwillig immer wieder landen. Nach der Dublin-II-Regel, wonach ein illegaler Immigrant aus ganz Europa in das EU-Land zurück abgeschoben wird, wo er seinen Asylantrag stellte, finden sich jährlich Hunderte Menschen in Ungarn wieder – im Auffanglager oder im Gefängnis.

TV-TIPP: Zum Thema „Festung Europa: Angst vor einer Flüchtlingsinvasion“ diskutiert KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter mit Regisseur Werner Boote, Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, Aktivistin Hanna Podig, Sozialwissenschaftler Gunnar Heinsohn und Entwicklungshelferin Irene Hochauer-Kpoda. „Talk im Hangar-7“. Servus TV. Heute, Donnerstag, 22.15 Uhr