Attentat auf Kreml-nahe Kriegsbefürworterin: Angeblich neue Täter
Nach dem Mord an der Kreml-nahen Kriegsbefürworterin Darja Dugina haben die russischen Ermittler nach eigenen Angaben einen weiteren mutmaßlichen Beteiligten identifiziert. Dabei handle es sich um einen 1978 geborenen Ukrainer, der am 30. Juli über Estland eingereist sei, teilte der Inlandsgeheimdienst FSB am Montag der Staatsagentur Tass zufolge mit. Der Mann soll bei der Vorbereitung der Tat geholfen und Russland wieder verlassen haben.
Das Auto mit der Tochter des Rechtsnationalisten Alexander Dugin am Steuer explodierte am 20. August in der Nähe von Moskau. Die Ermittler beschuldigten bereits kurz nach der Tat eine aus der Ukraine stammende Tatverdächtige, die zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Russland macht für das Attentat ukrainische Geheimdienste verantwortlich. Kiew weist jegliche Beteiligung zurück.
Von Anfang an hieß es, dass möglicherweise der Vater das eigentliche Ziel des Anschlages gewesen sein könnte. Der russische Philosoph und Publizist Alexander Dugin hat auch in Österreich freundliche Aufnahme bei Identitären und anderen Rechtsaußen-Politikern gefunden. Dugin gilt im Westen als rechter „Ideologe“ hinter der Machtpolitik von Präsident Wladimir Putin. Der 1962 in Moskau geborene ehemalige Co-Vorsitzende der „Nationalbolschewistischen Partei“ ist in den Augen vieler seiner Kritiker einfach ein Faschist.
In den Tagen nach Beginn der russischen „Spezialoperation“ in der Ukraine trat Dugin wiederholt im Internet in Erscheinung, darunter auch in Videos auf YouTube. Dort verbreitete er seine Thesen, deren Kern in der Ablehnung der westlichen liberalen Wertvorstellungen und der Befürwortung einer multipolaren Weltordnung besteht. Den russischen Einmarsch in der Ukraine verteidigte er weitgehend mit Argumenten, wie sie auch Wladimir Putin verwendet. Es gehe bei der „Spezialoperation“, meinen Dugin und Putin unisono, um den Schutz der russischen Bevölkerung in der Ukraine und die Abwehr des „imperialistischen Einflusses“ in der Ex-Sowjetrepublik.
Interview in einem rechten österreichischen Magazin
Im vergangenen Jänner gab Dugin dem rechten österreichischen Magazin „Zur Zeit“ ein Interview, in dem er der US-Regierung unter Präsident Joe Biden die Schuld am Ausbruch des Ukraine-Konflikts gab. Zum Verhältnis zwischen den USA und Russland meinte er, es gebe einen „klassische(n) Gegensatz zwischen Seemacht und Landmacht und die Idee, Gebiete im postsowjetischen Raum der eigenen Einflusssphäre einzuverleiben, um die Position Russlands zu schwächen und ein künftiges Wachstum der Stellung Russlands als souveränem Pol einer multipolaren Welt zu verhindern.“
Der Mann mit einem langen grauen Bart und schütterem Haupthaar dozierte im „Zur Zeit“-Interview weiter: „Russland versucht, die bestehende atlantizistische Tendenz zu kippen. Mit (Ex-US-Präsident Donald) Trump konnte Russland Gespräche über ein gegenseitiges Einverständnis über regionale Ziele führen, weshalb Putin mit Trump eine direkte Konfrontation vermeiden konnte. Aber mit der Biden-Regierung und ihrer Mischung aus liberalen Falken und Neokonservativen wurde der Konflikt unvermeidlich.“
Der Historiker und Publizist Alexander Markovics, ein Mitgründer der Identitären Bewegung Österreich, veröffentlichte am Beginns des Ukraine-Feldzugs auf seiner Website einen Betrag Dugins unter dem Titel „Lang lebe Neurussland! Die große slawische Reconquista beginnt“. Darin meinte der Kriegsbefürworter: „Nun macht der Kreml mit einer alptraumhaften Verspätung von 7 Jahren das, was er vor langer Zeit hätte tun sollen. Wir zahlen nun den fürchterlichen Preis für den Satz 'Besser spät als nie.' Aber in der Tat ist es besser spät als nie. Besser.“
In einem späteren, auf der Markovics-Website erschienenen Beitrag wird Dugin mit den Worten zitiert: „Was die Ukraine anbelangt, geht es mir nicht darum, den ukrainischen Staat zu dämonisieren, denn der Teil der Ostslawen, den wir Kleinrussland nennen, hat sich geschichtlich gesehen als vollkommen unfähig erwiesen, ein Staatswesen zu errichten.“ Und weiter: „Auch die Ukrainer müssen ihrem Ukrainertum gerecht werden - dem gerecht werden, was ihre Großeltern und Urgroßeltern waren und sich an die Wahl zur Orthodoxie durch die Kiewer Russ (sic!) erinnern. Das ist, was uns gemeinsam verbindet.“
Markovics verfasste am Sonntag auch einen Nachruf auf Darja Dugina, die er in Wien, Moskau, Sotschi und Chisinau getroffen habe: Dugina habe in ihrer Haltung dem leider viel zu selten anzutreffenden Ideal einer „indoeuropäisch-turanischen Kriegerin“ entsprochen, schrieb Markovics. „Ihre Mörder wollten uns alle, die für ein freies Europa und ein freies Russland in einer multipolaren Welt eintreten, mit ihrer feigen Tat einschüchtern“, erklärte er.
Dugin war 2014 in Wien bei Strache
Während von Darja Duginas Wien-Besuchen öffentlich nichts bekannt ist, verhält es sich bei ihrem Vater anders. Ende Mai 2014 hatte Dugins Teilnahme an einem Geheimtreffen mit Marion Maréchal-Le Pen aus Frankreich, Heinz-Christian Strache (FPÖ) und anderen rechten Politikern im Palais Liechtenstein für Schlagzeilen gesorgt. Der Schweizer „Tagesanzeiger“ hatte berichtet, dass man bei der vom Oligarchen Konstantin Malofejew organisierten Veranstaltung den Geist der „Heiligen Allianz“ des frühen 19. Jahrhunderts aufleben lassen wollte.
Zuletzt dürfte der Rechtsaußendenker im Jänner 2018 in Wien gewesen sein. Wie die „Presse“ damals darüber berichtete, teilte Dugin Heinz-Christian Straches (FPÖ) „politische liberale Anschauungen nicht“, hielt aber viele Positionen von FPÖ und des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) für richtig, darunter die „kritische Haltung zur Brüssel-Diktatur“. Dugin war während seines Wien-Aufenthalts auch zum FPÖ-Akademikerball eingeladen, ob er tatsächlich teilnahm, ist fraglich.