Politik/Ausland

USA/Iran: Beide brauchen Einigung im Atomstreit

Nach jahrelangen Verhandlungen läuft seit Dienstag in Wien die Endrunde der Atomgespräche zwischen den Chefdiplomaten des Iran, der UN-Vetomächte und Deutschlands. Am kommenden Montag läuft die selbst gesteckte Frist ab – wobei die Aussagen einzelner Außenminister schon zum Auftakt die späteren Schuldzuweisungen im Fall des Scheiterns ahnen lassen: US-Außenminister John Kerry sagte, der Iran müsse nun "der Welt zeigen", dass sein Atomprogramm friedlich sei. Der britische Außenminister Philip Hammond verlangte vom Iran "mehr Flexibilität, wenn wir Erfolg haben wollen". Im Gegenzug warnte Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif vor "übertriebenen Forderungen" des Westens.

Der Westen wirft der Regierung in Teheran vor, heimlich am Bau einer Atomwaffe zu arbeiten. Der Iran bestreitet das und will im Austausch für internationale Kontrollen seines Atomprogramms eine Lockerung der Sanktionen. Diese treffen Irans Wirtschaft – vor allem durch die Blockade des Öl- und Gas-Exports – ins Mark.

Wahlversprechen

Präsident Hassan Rohani ist nicht zuletzt mit dem Versprechen, ein Ende der Sanktionen zu erreichen, im Juni 2013 von der Mehrheit der Iraner ins Amt gewählt worden. Im zweiten Schritt versprach er eine Öffnung der iranischen Gesellschaft nach innen und außen. Rohani war es dann auch, der den vor sich hin dümpelnden Atomverhandlungen den nötigen Schub gegeben hat.

Wobei Iran-Experte Walter Posch im Gespräch mit dem KURIER betont, dass auch das geistige Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei – der mächtigste Mann im Iran –, eine Lösung für den Atomkonflikt will. "Rohani hätte keinen Schritt machen können, wenn dem nicht so wäre", betont Posch, der an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin forscht.

Angst vor Unruhen

Der Iraner Bahman Nirumand, der für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig ist, teilt diese Einschätzung. Khamenei habe sich gegen die Hardliner im Land entschieden, weil er soziale Unruhen befürchte. Ihm sei es daher sehr wichtig, dass der Atomkonflikt gelöst und die Wirtschaftssanktionen so rasch wie möglich aufgehoben werden, sagte Nirumand im Gespräch mit der APA.

US-Präsident Barack Obama braucht seinerseits dringend einen außenpolitischen Erfolg. Und das rasch: Ab Jänner haben die ihm feindlich gesonnenen Republikaner in beiden Häusern des Kongresses in Washington die Mehrheit. Folglich sollte Obama einen Deal mit dem Iran noch heuer absegnen lassen.

Aus Diplomatenkreisen ist zu hören, dass es bereits eine Einigung in 95 Prozent der zu lösenden Fragen für einen Atomdeal gibt. Aber die verbliebenen offenen Punkte hätten es in sich, sagt Posch. Wenn überhaupt, dann werde es einen Durchbruch wohl nur dank einer kreativen Idee und in letzter Minute geben. Posch: "Die Situation ist absurd: Jeder weiß, dass beide Seiten eine Lösung wollen und brauchen. Keine Seite kann es sich leisten, eine Niederlage einzustecken. Man ist auf der Zielgeraden – und trotzdem ist die Chance gering, dass ein Deal bis Montag gelingt." Dann bliebe dem Iran nichts anderes übrig, als sich Russland anzunähern – was Irans Hardliner wollen.

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Der Bundespräsident steht in den Startlöchern für einen lange geplanten Staatsbesuch. Und österreichische Firmen stehen in den Startlöchern, weil es im Iran viel zu holen gibt – es braucht nur noch das Ende der Sanktionen und damit grünes Licht für unbegrenzte Geschäfte mit dem 76-Millionen-Einwohner-Staat an der Schnittstelle zwischen Nahost und Asien.

Teheran will die Sanktionen loswerden, um die völlig veraltete Wirtschaft und Infrastruktur zu modernisieren. Und der Westen hofft auf die Öffnung eines der letzten großen, "unerschlossenen" Märkte: Von der iranischen Auto- und Flugzeugflotte bis zu Öl-Industrie und ihren seit mehr als 30 Jahren kaum erneuerten Anlagen locken Aufträge. Umwelttechnologien stecken überhaupt in den Kinderschuhen.

Heuer im Jänner sind die Sanktionen der EU und der USA gegen den Iran gelockert worden, das betraf aber nur Einzelbereiche wie Kauf und Transport von Rohöl und petrochemischer Produkte. Bei einer völligen Aufhebung der Sanktionen stünden österreichische Firmen ganz vorne mit dem Fuß in der Tür: Bereits im Dezember war Wirtschaftskammer-Vize Richard Schenz mit Vertretern von 17 Firmen wie Voest und OMV im Iran. Botschaft: Wir halten uns notgedrungen an die Sanktionen der EU, aber wenn die weg sind, sind wir da.