Asylzentren außerhalb der EU "sind unrealistisch“
Für „unrealistisch“ hält der EU-Parlamentsabgeordnete Peter Niedermüller Pläne, Asylzentren außerhalb der EU zu errichten. Der Sozialdemokrat aus Ungarn arbeitet im EU-Parlament bei der Ausarbeitung der europäischen Asylreform mit.
KURIER: Warum wäre es so schwierig, Asylzentren außerhalb Europas zu errichten?
Peter Niedermüller: Wo könnte die EU solche Hotspots einrichten? Welcher nordafrikanische Staat wäre bereit, mitzumachen? Dazu müsste die EU ein bestimmtes Territorium eines Landes quasi mieten und dort die Flüchtlinge empfangen. Aber können Sie sich das vorstellen, wie das ablaufen soll? Da würden Hunderttausende hinkommen. Und was ist mit Leuten, deren Anträge abgelehnt werden? Werden die dann zurücktransportiert? Die ganze Idee ist völlig unrealistisch. Es gab Versuche für eine Einigung mit Libyen. Aber in Libyen gibt es keine Zentralregierung, und die humanitäre Lage dort ist unerträglich. Das war schlichtweg nicht zu verhandeln, es ist gescheitert.
Was ist von Kanzler Kurz’ Vorschlag zu halten, abgewiesene Asylwerber in einem Balkanland unterzubringen?
Ich möchte nicht den österreichischen Kanzler kritisieren. Man muss realistisch sein: Abgewiesene Asylwerber sollen nicht erst zwei, drei Jahre bleiben , ehe sie zurückgebracht werden. Das ist viel zu lange. Aber Balkan? Warum? Leute müssen zurück in ihre Heimat, und dort muss man sich um ihre Re-Integration kümmern. Die EU sollte für diesen Zweck einen Fonds für afrikanische Länder gründen. Diese Menschen, meist junge Männer, müssen, wenn sie zurück sind, dort Arbeit finden. Wenn wir keine Perspektive in den Heimatländern anbieten, werden sie wieder und wieder kommen.
Grenzen sperren, Häfen schließen – kann das den Migrationsfluss eindämmen?
Wir haben ein Problem zu lösen. Und zu sagen, wir machen alle Grenzen dicht, ist keine Lösung. Wir können alle europäischen Grenzen schließen, aber die Menschen werden immer wieder versuchen, sich irgendwie reinzuschmuggeln. Die einzigen Opfer dieser Entwicklung sind die Flüchtlinge. Ich bin sehr dafür, dass wir kontrollieren, wer in die EU herein darf. Sicherheit ist extrem wichtig. Aber gleichzeitig müssen wir auch legale Wege schaffen, um Flüchtlingen eine neue Heimat zu bieten.
Bei der Suche nach einer gemeinsamen Asylregelung ist in Europa alles blockiert.
Italiens Innenminister Salvini sagt jetzt, er habe mit der Abweisung des Flüchtlingsschiffes Aquarius nur eine Debatte auslösen wollen. Darüber, dass Italien nicht allein den Flüchtlingsstrom aufnehmen kann. Eine Reform der Dublin-Regelung das ist die entscheidende Frage. Italien sagt, die Flüchtlinge müssen verteilt werden. Aber Länder wie Ungarn und Polen sind strikt dagegen.
Wo kann also die Lösung liegen?
In der EU denkt man darüber nach, wie man das Veto-Recht der Staaten ändern könnte. Es ist zwar nicht gut, wenn jemand überstimmt wird. Und die Abschaffung der Einstimmigkeit unter den EU-Staaten geht nicht so einfach, aber es wäre die einzige Lösung. Ungarns Ministerpräsident Orban will die Ablehnung des Quotensystems sogar in der ungarischen Verfassung verankern. Dann ist das gegessen, dann kann man nichts mehr machen.