Die Fiesta ist längst zu Ende
Von Walter Friedl
Als "polemisch" bezeichnete die argentinische Sportzeitung Ole die "Einlage" von sechs deutschen Teamspielern bei der Feier in Berlin nach dem WM-Finalsieg über die Südamerikaner. Ein Journalist verstieg sich sogar zur Formulierung "ekelhafte Nazis". Der Anlass: Klose, Götze, Kroos & Co. zelebrierten den Sieg unter anderem mit dem Zweizeiler "Wie gehen die Gauchos? Die Gauchos die gehen so (in gebückter Haltung)!"
Miese Bonität
Während sich teilweise auch in Deutschland Kritik an der "Schnappsidee" regte (Die Welt), ist der Befund der Kicker – zumindest ökonomisch betrachtet – richtig. Mehr noch, Argentinien ist wirtschaftlich auf den Knien. Die aktuelle Bonität des Landes stuft die Ratingagentur Standard & Poor’s mit CCC– ein, Ausblick negativ. Selbst Burkina Faso und Kamerun (beide B) stehen weit besser da. Und sollte es bis 30. Juli nicht zu einer Einigung zwischen der Regierung und zwei US-Hedgefonds kommen, dem ein Gericht die Zahlung von 1,5 Milliarden Dollar durch den argentinischen Staat zusprach, droht die "technische Insolvenz".
Doch auch schon zuvor ging es mit dem Land bergab. Konnte man in den Boomzeiten (um die Mitte der vergangenen Dekade) noch Wachstumsraten von sieben, acht Prozent erzielen, schrumpften diese zuletzt auf zwei bis drei Prozent. Zugleich erreicht die Inflation Rekordhöhen, unabhängige Experten und Institute taxieren sie auf 35 bis 40 Prozent. Selbst die Mittelschicht kann sich ein Preisniveau ähnlich wie in Österreich kaum noch leisten, denn immerhin verdient die Hälfte der Argentinier weniger als 500 € pro Monat. 30 bis 40 Prozent gelten als arm. Und die, die noch etwas Bargeld haben, flüchten damit in den US-Dollar. Der Schwarzmarkt blüht, dort muss man schon mehr als elf Pesos für einen Greenback hinblättern, während der offizielle Kurs bei nur gut acht Pesos liegt.
Die sozialen Folgen der Krise: Der Unmut in der Bevölkerung steigt. Die Polizisten streikten bereits für eine kräftige Lohnerhöhung, die Lehrer ebenfalls. Und immer wieder schlägt der Protest auch in Gewalt um. Die vielen Korruptionsaffären – in eine soll auch der Vize-Präsident verwickelt sein – tragen zusätzlich zum Aufkochen der Stimmung bei.
Das sind keine gute Vorzeichen für 2015, wenn das Staatsoberhaupt und die Parlamentsmandatare neu gewählt werden. Präsidentin Christina Kirchner darf nach zwei Perioden nicht mehr antreten. Ihrem Nachfolger fällt die Herkulesaufgabe zu, das Land wieder aufzurichten.
Es war ein vermeintlich aufgelegter Elfmeter für alle Moralapostel dieser Welt. Als ein Teil des deutschen Weltmeisterteams in gebückter Haltung über die Argentinier sang "So gehen die Gauchos", war Empörung angesagt. Von Rassismus war schnell die Rede, sogar von "ekelhaften Nazis". Das ist purer Schwachsinn. Diese Geste ist tausendfach vor und in den Stadien zu sehen. Wer diese Veralberung nach einer Niederlage nicht verkraftet, ist humorlos und sollte lieber Briefmarken sammeln. Jetzt wieder den "hässlichen Deutschen" zu beschwören, ist völlig daneben – dieser moralinsaure Elferschuss verfehlt das Tor.