Anti-Erdogan-Marsch: 600.000 Schritte für Gerechtigkeit
Von Walter Friedl
Kemal Kiliçdaroğlu ist am Ziel, zumindest physisch – politisch noch lange nicht. Der Chef der türkischen Oppositionspartei CHP erreichte mit Zehntausenden Weggefährten am Sonntag Istanbul, wo der lange Protestmarsch gegen den autoritären Führungsstil von Präsident Recep Tayyip Erdoğan sein Ende fand und in eine riesige Demo mit mehreren Hunderttausend Teilnehmern mündete.
"Diktator-Mentalität"
In der Türkei existierten keine demokratischen Strukturen mehr, sagte der 68-Jährige dem Spiegel. Erdoğan "herrscht mit der Mentalität eines Diktators". Die Arbeit gegen diesen "Machtmissbrauch" werde "im Parlament, auf der Straße, in den Fabriken" fortgesetzt.
Bilder vom "Marsch für Gerechtigkeit"
Nachdem seine Regierung in der Hauptstadt Ankara die Marschierenden zu Beginn nicht ernst genommen und sogar verspottet hatte, erkannten die Herrschenden bald aber die drohende Gefahr. Sie griffen zu Altbewährtem, bezeichneten die Kritiker als vom Ausland gesteuert und stellten sie in die Nähe von Terroristen.
Doch die anschwellende Gruppe ließ sich nicht beirren, schritt trotz mehrmaliger Provokationen von vorbeifahrenden und anhaltenden Autolenkern fort – bis Istanbul, jener größten Stadt Europas, in der Erdoğan einst Oberbürgermeister gewesen war.
"Hoffnung geben"
"Millionen Menschen in der Türkei sehnen sich nach Gerechtigkeit. Noch mehr als ich dachte", sagt der rüstige "Weitwanderer" Kiliçdaroğlu, "diesen Menschen will ich Hoffnung geben."