Algerien: „Die Macht“ lässt Bouteflika fallen
Von Irene Thierjung
Alt und grau ist er geworden, vor allem aber alt, krank und schwach: Algeriens autoritärer Präsident Abdelaziz Bouteflika ist 20 Jahre nach seinem Amtsantritt nur noch ein Schatten seiner selbst. Regiert wird das Land von einer nebulösen Elite rund um den Staatschef, bestehend aus Politikern, Unternehmern und Militärs. Die Bevölkerung spricht nur von „le pouvoir“, der Macht.
Diese Macht entzieht Bouteflika nun angesichts der seit einem Monat anhaltenden Massenproteste die Unterstützung – wohl um die eigene Herrschaft zu retten. Den Anfang machte die Armee, die den heute 82-Jährigen nach dem jahrelangen Bürgerkrieg in den 1990er-Jahren mit 150.000 Toten als einende Figur nach oben gehievt hatte.
Massenproteste
Am Dienstag forderte Generalstabschef Ahmed Gaid Salah den Rücktritt des 82-Jährigen, der seit einem Schlaganfall 2013 im Rollstuhl sitzt, kaum noch sprechen kann und öffentlich fast nicht mehr auftritt. Salah rief das Verfassungsgericht auf, Artikel 102 der Verfassung zu aktivieren. Dadurch kann der Staatschef aus gesundheitlichen Gründen für amtsunfähig erklärt und de facto abgesetzt werden.
Gestern schloss sich Bouteflikas Regierungspartner, die Demokratische Nationalversammlung, dieser Forderung an. „Wir danken Abdelaziz Bouteflika für alles, was er für das Land getan hat“, sagte Parteichef Ahmed Ouyahia, der seinen Posten als Premier vor zwei Wochen infolge der Proteste zurückgelegt hatte.
Die Demonstrationen waren Ende Februar entbrannt, nachdem Bouteflika eine neuerliche Kandidatur bei den Präsidentenwahlen Mitte April in Aussicht gestellt hatte. In Algier und anderen Städten machten wiederholt Hunderttausende ihrem Ärger über diese Entscheidung Luft, auch im Ausland gingen Algerier auf die Straßen und forderten den Abgang Bouteflikas. Sie warfen ihm vor, nichts gegen die Ungleichheit und Korruption im Erdöl- und gasreichen Land zu unternehmen. Besonders schwer haben es die Jungen: Mit gut 20 Millionen Einwohnern stellen die unter 25-Jährigen die Hälfte der Bevölkerung, jeder vierte davon ist arbeitslos.
Uneinige Opposition
Bouteflika verzichtete auf eine Kandidatur, verschob aber zugleich die Wahlen auf unbestimmte Zeit – was seine offiziell am 28. April auslaufende Amtsperiode auf ebenso unbestimmte Zeit verlängern dürfte. Das Regime kündigte zwar einen demokratischen Übergangsprozess samt Reformen und Bildung einer neuen Regierung an. Das zielte Beobachtern zufolge jedoch großteils darauf ab, Zeit zu gewinnen und die vielschichtige Opposition zu spalten.
Ohne Erfolg: Die Proteste halten an, gefordert wird ein Neubeginn ohne jede Beteiligung der alten Eliten. Auch nach den Freitagsgebeten wird man wieder die Parole „Aus Altem kann man nichts Neues schaffen“ hören – auch wenn nicht klar ist, wie das Neue aussehen könnte.