Aleppo erhebt sich aus dem Staub
Von Armin Arbeiter
"Wir haben fast alles, was wir brauchen", sagt Mustafa al Bab gegenüber CNN und fährt fort: "Wir werden diese Stadt wieder aufbauen." Mustafa ist ein heimgekehrter Flüchtling aus Aleppo, einer Stadt, die den Gräueln des Syrien-Konfliktes ein Gesicht gab. Es waren schockierende Bilder, die die Welt im vergangenen Jahr von Aleppo sah. Zerbombte Stadtviertel, hungernde Zivilisten, heftige Feuergefechte. Nach jahrelangem Kampf hat das Assad-Regime die Kontrolle über die Stadt wiedererlangt – und baut sie wieder auf.
In Straßenzügen, die vor einem Jahr noch Schauplatz erbitterter Schießereien waren, öffnen die ersten Gemüsemärkte, Schneidereien und Bäckereien nehmen ihren Betrieb wieder auf, Bagger beseitigen den Schutt des Krieges.
Auch die Menschen kommen wieder: Seit Jahresbeginn kehrten laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) über 600.000 syrische Flüchtlinge in ihr Land zurück, rund zwei Drittel davon in die Provinz Aleppo.
Ein Großteil der Heimkehrer hatte laut IOM Glück – 97 Prozent konnten in ihre ehemaligen Häuser einziehen, für den Rest seien Flüchtlingsunterkünfte bereitgestellt worden. Noch ist nicht alles eitel Wonne: Das Wasser ist verschmutzt, außerdem soll ein Engpass an Medikamenten und Versorgungsmitteln herrschen.
Trotzdem scheinen die Bürger guter Dinge zu sein und versuchen, ihre Stadt zu alter Größe zu führen. Eines der Wahrzeichen Aleppos, die Umayyaden-Moschee, möchten die Syrer wieder aufbauen. 2013 stürzte das geschichtsträchtige Minarett infolge der Kämpfe ein, Vertreter der UNESCO sind sich sicher, dass der Wiederaufbau möglich ist.
Frieden eine Illusion
Dass in Syrien in absehbarer Zeit Frieden herrschen wird, ist jedoch eine Illusion: Zwar steht die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vor dem Abgrund – ihre Hauptstadt Rakka wird langsam aber sicher durch die kurdisch dominierten "Syrischen Demokratischen Kräfte" (SDF) befreit, die Stadt Deir ez-Zor im Südosten des Landes gerät stetig mehr in die Hand der Regierungstruppen.
Auch wenn der IS als "Staat" besiegt werden sollte, rechnen Experten mit gezielten Terroranschlägen aus dem Untergrund. In der Provinz Idlib bekämpfen einander derzeit zwei große Rebellenbündnisse. Es ist nicht absehbar, dass diese zunehmend radikalen Gruppierungen ihre Differenzen beseitigen und sich gegen ihr Feindbild Assad verbünden werden.
Am Horizont kündigt sich bereits ein weiterer Konflikt an: Die Kurden, die eine Maßgebliche Rolle bei der Vertreibung des IS spielten, pochen auf einen eigenen Staat im Norden des Landes. Es ist fraglich, ob Assad bereit ist, ihnen diesen zu gewähren. Als sicher gilt jedoch, dass der türkische Präsident Tayyip Erdoğan keinen kurdischen Staat an seiner Grenze dulden wird.