NATO übergibt Verantwortung an Sicherheitskräfte
Von Stefan Schocher
Es war ein Formalakt mit symbolischer Tragweite. Am Dienstag übergab die NATO-geführte Schutztruppe ISAF die Verantwortung über 95 Distrikte an die afghanischen Sicherheitskräfte – die letzten verbliebenen Bezirke im Land sind damit unter afghanischer Kontrolle. Es war der letzte Schritt in einem Prozess, der mit der Übergabe der Provinz Bamyan 2011 begonnen hatte. Vollzogen wurde er in einer Zeremonie in der Militärakademie von Kabul im Beisein von Präsident Hamid Karzai, NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sowie dem Kommandeur der ISAF, Joseph Dunford, die alle von einem historischen Moment sprachen.
Bei der Zeremonie sprach Karzai von einer verbesserten Sicherheitslage. Beobachter sehen aber viel eher das Gegenteil: Immer selbstbewusster agierende Taliban, die Strukturen des Staates in vielen Landesteilen entweder unterwandert oder durch Parallelstrukturen bedeutungslos gemacht haben.
Gespräche mit Taliban
Am Dienstag eröffneten die Taliban in Doha mit großem Pomp erneut ein Verbindungsbüro, um den Weg freizumachen für Verhandlungen. Karzai strebt solche an. Eine afghanische Delegation machte sich am Dienstag auch auf den Weg nach Doha. Und auch die USA bestätigten, mit den Taliban verhandeln zu wollen – bereits in den kommenden Tagen.
Während etwa die ISAF seit 2010 sinkende Verluste verzeichnet, steigen die der Sicherheitskräfte Afghanistans rapide. Und die Zahl der getöteten Zivilisten im ersten Halbjahr 2013 (3092) ist um 24 Prozent höher als 2012.
Gerade in den vergangenen Wochen hatten die Taliban den blutigen Beweis dafür geliefert, dass sie Kabul schwer treffen können – durch eine ganze Serie von Anschlägen. Ein Umstand, der gerade vor der Präsidentenwahl 2014 ebenso symbolische Bedeutung hat wie die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen.
Und ausgerechnet am Tag, da diese übergeben wurde, knallte es wieder. Bei einer Explosion starben am Dienstag mindestens drei Menschen. Der Anschlag ereignete sich direkt vor dem Gebäude der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC). Ein Vertreter der Organisation sagte gegenüber dem KURIER, mehrere Angestellte der AIHRC seien verletzt worden. Gegolten hatte der Anschlag anscheinend aber dem Wagenkonvoi des Parlamentariers Mohammed Mohaqiq, einem bekannten Vertreter der überwiegend schiitischen Minderheit der Hazara.