Falsche Versprechen und (k)ein Abkommen
Von Andreas Schwarz
Die Regierung Merkel spielte vor und hinter den Kulissen ein anderes Stück. Die Affäre um den Bundesnachrichtendienst (BND) und dessen Hilfe für den US-Geheimdienst NSA beim Ausspähen europäischer Unternehmer und Politiker rauscht seit Tagen durch den Blätterwald – und lässt die Deutschen kalt: Nur 18 Prozent verfolgen laut jüngster Umfrage (Meinungsforschungsinstitut YouGov) die Affäre, rund 50 Prozent verfolgen sie „ein wenig“.
Das könnte sich ändern. Nicht das Was, sondern das Wie der Affäre hat das Zeug zum Aufreger – nämlich wie die deutsche Regierung die Öffentlichkeit mit Falschinformationen fütterte. Sie gaukelte den Deutschen ein bevorstehendes No-Spy-Abkommen mit den USA vor, obwohl sie wusste, dass es ein solches nie geben würde. Das belegen eMails, die die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR veröffentlichten.
Im Juni 2013 hatte Ed Snowden die NSA-Praktiken enthüllt. Ende September standen in Deutschland Bundestagswahlen an. Und die Union von Kanzlerin Angela Merkel fürchtete offenbar, aufgrund ihrer transatlantischen Freundschaft als zu zahnlos im Umgang mit der US-Spionage dazustehen.
Abschluss angeboten
Also bemühten sich außenpolitische Berater der Kanzlerin um die Zusicherung von US-Seite, dass „deutsches Recht auf deutschem Boden respektiert wird“. Trotz ausweichender Antworten aus den USA sagte Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) am 12. August: „Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten.“ Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte der Rheinischen Post, das Abkommen könne bald geschlossen werden.
Die Antwort der USA folgte unmissverständlich: „Ich habe mich über die Äußerungen von Friedrich in der ‚Rheinischen Post‘ gewundert. Christoph, wir beide wissen, dass es wirklich eine große Herausforderung (und vielleicht sogar unmöglich) sein wird, die öffentliche Debatte unter Kontrolle zu halten, aber wir sollten nichts sagen, was die Erklärung möglicher neuer Enthüllungen und den Umgang damit noch schwieriger macht. Richtig?“, mailte der zweite Mann an der US-Botschaft in Berlin, Jim Melville, Merkels Berater Christoph Heusgen.
Auch im Oktober, als das Abhören von Merkels Handy bekannt wurde und Washington zusagte, Kanzlerin und Bundespräsidenten nicht zu überwachen, wollte die Umgebung Merkels mehr: Eine Erklärung, dass die USA und Deutschland „den jeweils anderen nationalen Interessen nicht schaden“. US-Antwort: „... können wir die vorgeschlagene Überarbeitung des letzten Punktes nicht akzeptieren“. Zu dem Zeitpunkt hatte Merkel die Bundestagswahlen aber bereits gewonnen.
„Die Bundeskanzlerin steckt in der Falle“, schreibt der Spiegel jetzt. Aber das könnte wishful thinking sein. Denn Merkel gewann die Wahlen wohl nicht wegen ihrer scheinbar toughen Haltung gegenüber den USA – die Späh-Affäre, siehe oben, scheint herzlich egal zu sein. Und dass vor den Kulissen politisch anders präsentiert als hinter den Kulissen agiert wird, dürfte auch nicht ganz neu sein.
„Kein Kommentar, dazu haben wir nichts zu sagen“: Die britische Botschaft in Wien wollte sich auf KURIER-Anfrage nicht zu dem Häuschen äußern, das da auf ihrem Dach entdeckt worden war.
Da der US-Nachrichtendienst NSA und der britische Geheimdienst GCHQ traditionell eng kooperieren, vermuten Insider hinter sämtlichen Einrichtungen Spionage-Aktivitäten. Vor allem Mobilfunk soll abgehört werden können, es handle sich laut orf.at um Einrichtungen zur „Funkspionage gegen österreichische Handynetze“. Was den Verdacht gegen die Briten besonders heikel macht, ist die Nähe der Botschaft zu diplomatischen Einrichtungen Russlands, Chinas oder des Iran.
Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz, der den vermeintlichen Spionage-Container auf seiner Facebook-Seite platzierte, spricht von „systematischer Abschöpfung aller Handy-Gespräche, der gesamten Internet-Kommunikation – und deren Auswertung durch die NSA“.