Aachener Vertrag: Mehr als nur Freundschaft
Knapp 450 Kilometer Grenze trennen heute Deutschland und Frankreich – vor vielen, vielen Jahren war es noch viel mehr: Rivalität und Kriege machten aus den Nachbarn erbitterte Feinde. CDU-Kanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Staatschef Charles de Gaulle setzten dem vor 56 Jahren endgültig ein Ende. Sie besiegelten 1963 mit der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags die Aussöhnung und Zusammenarbeit der beiden Länder.
Am Dienstag setzten im Rathaus von Aachen, Nordrhein-Westfalen, Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron wie schon ihre Vorgänger eine Unterschrift unter ein deutsch-französisches Bekenntnis. Dieses soll mehr sein als ein Vertrag zu mehr Zusammenarbeit in Wirtschafts-, Verteidigungs- und Europapolitik. Laut Merkel will man damit eine Antwort beider Länder auf erstarkenden Populismus und Nationalismus geben. Kurz: In Zeiten, in denen Präsidenten wie Donald Trump kaum etwas für die EU übrig haben und Länder wie Großbritannien sie verlassen, wollen Deutschland und Frankreich wieder Motor sein. Oder wie Macron sagte: Die beiden Länder müssten in Europa „den Weg weisen“.
Das hat das deutsch-französische Tandem in der Geschichte mal mehr, mal weniger erfolgreich geschafft. Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing galten als Architekten der EU, Helmut Kohl und Francois Mitterrand initiierten die Währungsunion mit.
Schwieriger Start
Welche Akzente Merkel und Macron abseits von Bekenntnissen noch setzen werden, ist ungewiss. Ihr Start war jedenfalls schwierig. Als Macron einst seine Reformideen zur Neugestaltung der EU verkündete, verhallte dies zunächst. Im Berliner Kanzleramt wurde er zwar mit warmen Worten empfangen, aber ohne konkrete Antworten, etwa zur Eurozone, wieder verabschiedet. Merkel war nach den Wahlen mit einer zähen Regierungsbildung beschäftigt, im Sommer 2018 folgte der Streit zwischen CDU und CSU. Dieser ist zwar beigelegt, doch die Koalition weiter unberechenbar und Merkels Kanzlerschaft mit einem Ablaufdatum versehen. Und auch Macron ist innenpolitisch in Bedrängnis geraten, hat mit dem Protest der Gelbwesten-Anhänger im ganzen Land zu tun. Und da wären auch noch die Rechtspopulisten um Marine Le Pen. Sie machen derzeit zusammen mit den deutschen Rechten Stimmung gegen den neuen Freundschaftsvertrag und stellen irreführende Behauptungen auf. Doch auf den 16 Seiten finden sich weder der Abtritt Elsass’ an Deutschland, noch der direkte Zugriff auf deutsches Steuergeld durch Macron, wie die AfD suggeriert.
Dafür will man gegenseitige Anerkennung von Schulabschlüssen, deutsch-französische Studiengänge, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. Heikel wird es bei der gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik: Künftig will man sich bei Rüstungsprojekten abstimmen. Der Mordfall um den Journalisten Jamal Khashoggi zeigte, wie schwierig das in der Praxis werden könnte: Während Deutschland seine Waffenexporte nach Saudi-Arabien stoppte, lieferte Frankreich weiter. Auch in Aachen betonte Macron, dass er daran festhalten werde und argumentierte, dass Saudi-Arabien ein strategischer Partner gegen den Terror sei. In dieser Bewertung sei man sich einig, so Merkel, forderte aber eine Annäherung bei beiden Themen. „Wir können uns nicht bei jeder Exportfrage über jede Schraube in die Haare kriegen.“
Dass manche Zusammenarbeit einen langen Atem braucht, zeigte sich auch bei Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, den Unterzeichnern des Élysée-Vertrags. 100 Stunden sollen sie miteinander über die Jahre hinweg gesprochen, 40 Briefe gewechselt und sich 15 Mal getroffen haben.