Politik/Ausland

150 Jahre SPD: Die müde Partei

Höhepunkt dieser SPD-Feierwoche ist ein Festakt in Leipzig am Donnerstag mit Frankreichs sozialistischem Präsidenten Francois Hollande und CDU-Kanzlerin Merkel als prominenten Gratulanten. Der runde Geburtstag soll der SPD auch Selbstbewusstsein im weiter lahmenden Wahlkampf für die September-Wahl geben. Doch weder die Rückschau der ältesten deutschen Partei noch die aktuelle Lage machen ihr viel Hoffnung auf den Sieg.

Vor genau 150 Jahren hatte hier der Salon-Dandy und -Denker Ferdinand Lassalle die Arbeiterbewegung gegründet, um dem in heute unvorstellbarer Armut ausgebeuteten Proletariat und sich selbst eine politische Perspektive zu geben. Anders als die gewaltbereiten Kommunisten wollten er und sein folgender Parteichef August Bebel das wirtschaftlich und politisch rasch aufsteigende Kaiserreich nicht revolutionär sondern demokratisch in eine ganz neue Gesellschaft verwandeln.

Bilder: SPD-Granden

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Der Aufstieg der SPD war rasant: 1913 wurde sie zur größten Partei, begrüßte aber den Kriegseintritt wie alle anderen. Der frühe Streit zwischen Real- und Fundamentalflügel prägte aber auch die wilden Jahre danach. Historisch groß war erst die todesmutige Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes, der sogenannten Machtergreifung Adolf Hitlers im Reichstag 1933. Die Nazis verboten danach die SPD und verfolgten die Mitglieder. Nach dem Krieg wurde sie rasch zweite Volkspartei. Trotzdem hat sie in 150 Jahren nur 23 Jahre lang den Regierungschef gestellt.

Sozialismus auf Pump

Ihr erster war Willy Brandt, der eine Reformpolitik versprach und sie, vor allem zum kommunistischen Osten, einleitete. Er eröffnete aber auch als erster deutscher Politiker den Wettlauf im Kaufen von Wählern mit fremdem Geld: Brandt und sein SPD-Nachfolger Helmut Schmidt vervierfachten in ihren nur 13 Jahren die Staatsschulden. Nicht mal in der – von der SPD bekämpften – Wiedervereinigung durch Kanzler Kohl oder der Finanzkrise mit Kanzlerin Merkel geschah dies wieder. Trotzdem wurden Brandt und Schmidt wie der 1998–2005 mithilfe der „Grünen“, einer SPD-Abspaltung, regierende Gerhard Schröder vom linken SPD-Flügel gestürzt. Für ihn war das zu wenig Reform und zu viel Realpolitik.

Noch immer lähmt dieser Streit um Gerechtigkeits-Pathos und pragmatisches Handeln in der globalen Welt die Partei: Merkels Herausforderer Peer Steinbrück wurde auf Linie der Parteilinken und von SPD-Chef Sigmar Gabriel gezwungen. Längst ist die CDU die größte Arbeiter- und Rentnerpartei – und die letzte Volkspartei. Die SPD hingegen halbierte von Brandts erstem Sieg bis zur letzten Niederlage 2009 ihre Stimmen auf 23 Prozent. „Die SPD im Burn-out-Syndrom“, titelte mitleidlos das Handelsblatt zum 150er.

Ist es ein Nachteil für die SPÖ, dass eine Woche vor den Nationalratswahlen im Herbst ein möglicher SPD-Absturz bei den Bundestagswahlen ins Haus steht? Karl Blecha, sozialdemokratisches Urgestein, verneint. Umfragen seien nur Umfragen, und „die Signalwirkung von Deutschland auf Österreich war interessanterweise nie so groß wie umgekehrt“. Zu Hochzeiten der Sozialdemokratie mit Blair und Schröder habe die SPÖ unter Klima mit 33 Prozent das bis dahin schlechteste Ergebnis eingefahren.

Blecha blickt eher neidig nach Deutschland, was die Parteienlandschaft betrifft: „Dort gibt es klare Programme von Schwarz-Gelb bzw. Rot-Grün, der Wähler weiß, was er bekommt.“ In Österreich werde viel zu wenig informiert, was nach den Wahlen komme: „SPÖ und ÖVP werden nach jetzigem Stand die Absolute haben, aber welchen Kompromiss die beiden Parteien in Fragen wie Bildung, Wohnen etc. finden wollen, wissen wir nicht.“

Herausragende Persönlichkeit in der deutschen Sozialdemokratie ist für Blecha neben Willy Brandt Ferdinand Lassalle, eine „Lichtgestalt“, die den „Durchbruch aus der reinen Arbeiterbildung zu einer politischen Bewegung geschafft hat“. Österreichische Sozialdemokratie sei undenkbar ohne die deutsche, „nach dem Ersten Weltkrieg haben wir uns emanzipiert“.

Kanzler Faymann reist heute Abend zum Treffen der sozialdemokratischen europäischen Parteichefs im Rahmen der 150-Jahr-Feier nach Leipzig.

Uneffektiv. Unmodern. Reformunfähig. SPD-Chef Sigmar Gabriel gefällt die Sozialistische Internationale (SI) schon lange nicht mehr. Und damit ist er bei seinen europäischen Parteifreunden bei Weitem nicht alleine. Vor wenigen Tagen untermauerte er das bei einer Rede in Berlin: Die SI „erstarrt in Formalitäten“, sagte er, zudem habe sie in dem Chilenen Luis Ayala einen korrupten Generalsekretär, der in der Sozialdemokratie als „Blockierer“ gilt. Die Zeit der SI scheint abgelaufen.

Denn heute, am Vorabend des 150. Geburtstages der SPD, soll in Leipzig ein neues, modernes, zeitgemäßes Netzwerk gegründet werden. Die „Progressive Allianz“ könnte bald die SI ablösen – die aber noch weiter bestehen soll. Allerdings mit viel geringerem finanziellen Aufwand als bis zuletzt.

Die PA soll auf die verstaubte SI Druck ausüben, die ihre hohe Zeit aus den 1970er-Jahren längst hinter sich gelassen hat. Zur heutigen Gründung wird auch Werner Faymann erwartet.