Adelsmayr: "Würde alles wieder so machen"
Von Nihad Amara
Kaum jemand weiß mehr, wie oft Eugen Adelsmayr schon vor Gericht stand. Vertagt. Nach 20 Sekunden. Nach drei Minuten. Ein neuer Zeuge. Eine Übersetzung fehlt. Neue Vorwürfe. Wieder neue Zeugen.
Im Juli jährte sich der Mordprozess gegen Eugen Adelsmayr. Der Intensivmediziner aus Bad Ischl, 53, zog aus, um in der Glitzerwelt der Vereinigten Arabischen Emirate Karriere zu machen. Der Traumberuf endete in einem Albtraum: Zwei Kollegen spinnen eine Intrige, zeigten ihn an, als er bereits längst anderswo arbeitete.
Ein hochmotivierter Staatsanwalt zimmerte eine Mordanklage: Adelsmayr, Leiter der Anästhesie-Abteilung, und ein Kollege hätten einen gelähmten Pakistani getötet, damit Adelsmayr ein Bett auf seiner Intensivstation frei bekäme. So absurd das klingen mag, der Staatsanwalt forderte die Todesstrafe für den Bad Ischler, ließ ihm den Pass abnehmen und nicht mehr ausreisen.
Am Mittwoch fand die vielleicht letzte Verhandlung statt. Ein Urteil wurde für den 21. Oktober in Aussicht gestellt. So lange wollte Eugen Adelsmayr nicht warten. Er wollte nicht, dass der Richter seine Geschichte vollendet, er hat seine eigene vorgelegt. „Von einem, der auszog", heißt sein persönlicher Erlebnisbericht auf 246 Seiten (Seifert Verlag, Wien).
Nur ein Spielball
Im März begann er mit den ersten Seiten. Seitdem wühlte er in seiner Vergangenheit und in seinem Erlebten. Setzte sich erneut dem frustrierenden Gefühl aus, nur Spielball zu sein, nicht zu Wort kommen zu dürfen. Außer den Satz „Ich bekenne mich nicht schuldig" durfte er bisher nichts sagen. „Das Schwierigste dabei war sicherlich, alles nochmals aufzuarbeiten", erzählt Adelsmayr. Seitenweise listete er Dokumente auf, die belegen, dass die medizinischen Vorwürfe unhaltbar sind; dass die Anklage auf einer manipulierten Übersetzung beruht. All das wurde publik. Österreichische Medien schrieben regelmäßig von einem Knalleffekt, der jedes Mal in dem Wüstenstaat im Sand verlief. Adelsmayr lässt den Leser teilhaben an seiner Ohnmacht.
Unaufhaltsam wurde auch das Privatleben von Eugen Adelsmayr öffentlich. Mit dem Start des Prozesses wurde bei seiner Frau eine schwere Erkrankung diagnostiziert. Der Arzt wollte heim zu seiner kranken Ehefrau und den beiden erwachsenen Söhnen, die sich um ihre Mutter kümmerten. Das diplomatische Tauziehen um seine Ausreise beschäftigte die hohe Politik, zeitigte aber einen Erfolg. Er durfte heim, pendelte zwischen den Prozessterminen zwischen Bad Ischl und Dubai. Und er konnte die letzten Monate mit seiner Frau verbringen, der er sein Buch widmete. Nach ihrem Tod kam auch der Entschluss, nicht mehr zum Prozess zu reisen, der fortan ohne ihn weiterlief. „Es ist alles gesagt", sagt der Bad Ischler, der heute in Salzburg als Arzt arbeitet.
Ministerium warnte
Im Außenministerium warnte man ihn, das Buch vor Prozessende zu veröffentlichen. Doch der 53-Jährige ließ es sich nicht nehmen. „Das ist meine Geschichte. Das Ende bleibt offen." Adelsmayr sagt, er wollte keine „Abrechnung" schreiben, zwischen den Zeilen schwingt viel Sehnsucht und Liebe zum Land mit. Würde er nochmals dieselbe Entscheidung treffen? Er schreibt: „Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich wahrscheinlich alles wieder genauso machen. Zur gegeben Zeit und unter den gegebenen Umständen hat damals alles gut gepasst, und das Wissen von morgen hilft eben im Heute nicht."