20 Jahre Ötzi: Der Superstar aus dem Eis
Von Gertraud Walch
Bis zu 277.000 Besucher pilgerten jährlich seit März 1998 in die ehemalige Reichsbank in Bozen. Drei Millionen waren es insgesamt. Dort wird ihr Ziel in einer Kühlzelle sicher hinter Panzerglas verwahrt: Er, der weltberühmte Mann aus dem Eis, der vor 5300 Jahren am Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen ermordet wurde.
Heute vor 20 Jahren, am 19. September 1991, stieß das Nürnberger Ehepaar Erika und Helmut Simon auf den Leichnam, der aus dem Eis ragte. Auf Südtiroler Boden. Nur 92,56 Meter von der Staatsgrenze entfernt.
Doch was ist Nordtirol wirtschaftlich entgangen, als Ötzi im (eigens eingerichteten) Südtiroler Archäologiemuseum seine letzte Ruhestätte fand? (Der Kosename für die Mumie geht auf Journalist Karl Wendl zurück.)
Marke
"Uns im Tal bis dato nicht viel", sagt Leopold Holzknecht von Ötztal Tourismus. "Im Gegenteil: Durch den kurzen prägnanten Namen Ötzi wurde die Marke Ötztal und damit der Tourismus von Anfang an belebt." Statt um die Mumie zu buhlen, bemühe man sich nördlich und südlich der Grenze um Zusammenarbeit im Tourismus und auf wissenschaftlicher Ebene.
"Das wurde gut gelöst - mit Museum und Archeoparc im Schnalstal und mit dem Ötzi-Dorf bei uns", sagt der Bürgermeister von Umhausen, Jakob Wolf, und fühlt sich "aus Gesamttiroler Sicht im Mittelpunkt einer Weltsensation".
Der archäologische Freilichtpark Ötzi-Dorf wurde mit dem Innsbrucker Uni-Institut für Archäologie errichtet und zieht pro Jahr rund 60.000 Besucher an. Mit ihm entstanden rund
20 Arbeitsplätze, und von den Ausflüglern profitieren auch andere Betriebe.
Für Christoph Engl, den Direktor der Südtirol Marketing Gesellschaft, hat der Mann aus dem Eis viel tiefere Bedeutung als kolportierte vier Millionen Euro Umsatz pro Jahr für Bozen. Stünden den Eintrittsgeldern doch hohe Kosten fürs Museum gegenüber. "Aber Ötzi ist ein Anziehungspunkt, der weit über räumliche Grenzen hinaus geht und monetär nicht messbar ist", fasziniert ihn die internationale wissenschaftliche Dimension.
Stammbaum
Zum Jubiläum werden neue Erkenntnisse aus der Analyse von Ötzis Erbgut veröffentlicht. Mittels DNA könnten gar Nachfahren gefunden werden. Zudem soll erforscht werden, ob heutige Krankheiten schon genetisch angelegt waren. Engl verweist auch auf Fortschritte, die der Forschung an Ötzi zu verdanken sind: In Wiederherstellungschirurgie, Konservierung oder der Entwicklung von OP-Besteck aus Titan.
Wie schwer ein Geld-Wert für den Weltfund zu bemessen ist, zeigte der Rechtsstreit um den Finderlohn: Erst 2010, nach langen Verhandlungen, wurden der Familie Simon vom Land Südtirol 175.000 Euro zugestanden.
Termine
Mehrere Veranstaltungen wurden zum Jubiläum organisiert. Jetzt stehen die Höhepunkte bevor.
-19. September: An der Ötzi-Fundstelle findet heu-te, Montag, um 12 Uhr der Jubiläumsgipfel statt ( bei Schlechtwetter im Archeoparc ). Im Archeoparc gibt's zu Ötzis Geburtstag den ganzen Tag über Mitmach-Aktionen, wie jungsteinzeitliches Kochen und Backen oder Feuerschlagen (Eintritt frei). Das Ötzi-Dorf in Umhausen feiert ab 13 Uhr 20 Jahre Ötzi-Fund. Und die Sonderausstellung Ötzi20.Life.Science.Fiction.Reality im Südtiroler Archäologiemuseum ist bei einem Tag der offenen Tür frei zugänglich.
-1. November: Auf diesen Tag freut sich Christoph Engl ganz besonders. "In der italienischen Botschaft in Washington werden das National-Geographic-November-Heft zu Ötzi und ein neuer Film präsentiert."