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"Mr. Runtastic": Warum Lauf-Millionär Gschwandtner jetzt aufhört

KURIER: Herr Geschwandtner, Sie haben vor 14 Tagen bekannt gegeben, dass Sie ab 2019 nicht mehr CEO von Runtastic sein werden und aussteigen. Sie sind erst 35. Warum schon so früh der Rückzug aus dem Unternehmen?

Florian Gschwandtner: Ich gehe definitiv mit gemischten Gefühlen dieser neuen Lebensphase entgegen. Natürlich betreibe ich Ursachenforschung, was nun der Auslöser bei mir für diesen Schritt war. Ich spüre eine gewisse Müdigkeit in mir. Es störte mich auch, dass viele meiner Freunde gar nicht mehr nach einem Treffen fragen, weil sie sich denken, ich habe ohnehin keine Zeit. Das Unternehmen läuft sehr gut und ich spüre, wenn ich diesen Schritt jetzt nicht mache, werde ich ihn wohl nie machen. Um mich wirklich freizumachen, kann ich keine Auszeit nehmen, sondern muss ganz raus aus dem Unternehmen.

Haben Sie das Gefühl etwas versäumt zu haben, weil Sie in den vergangenen zehn Jahren eine unglaubliche Erfolgsgeschichte hingelegt haben, wo andere noch ihr Studentenleben genießen?

Versäumt habe ich nichts. Im Gegenteil: Ich denke, ich habe mehr erlebt als viele andere. Aber der selbsterzeugte Druck war enorm. Mein Arbeitspensum war extrem hoch. Ich konnte nie einen Tag länger in einer neuen Stadt bleiben, um Sightseeing zu machen. Selbst mein Relaxurlaub im Februar war sehr kurz gehalten. Die größte Sehnsucht ist, einfach sagen zu können, wenn ich drei Tage wo bleiben will, bleibe ich drei Tage.

Was sind die ersten Pläne?

Ein paar spannende Termine gibt es schon: Im Jänner stehe ich auf der Skipiste und bin am Berg. Ab Februar werde ich einige Wochen in Hawaii verbringen und Kitesurfen lernen. Helicopter-Skiing steht dann im März am Programm. Danach möchte ich vielleicht beginnen, Spanisch zu lernen.

Wenn man die vergangenen zehn Jahre so unter Druck steht wie Sie und plötzlich aussteigt. Wie groß ist die Angst, in ein Loch zu fallen?

Werde ich es schaffen, runterzufahren und loszulassen? Ich habe keine Ahnung. Angst habe ich keine davor, aber großen Respekt. Ja, ich kann mich ab Jänner beim Sport auspowern, aber 12 Stunden am Tag geht das auch nicht. Ich werde in dieser Zeit auch viel alleine sein. Da werde ich mich, mit mir auseinandersetzen müssen. Mein Plan ist es, mit Yoga und Meditation für die innere Balance zu sorgen.

In Ihrem Buch „So läuft Start-up“ schreiben Sie, dass Sie vorgesehen waren, den Bauernhof Ihrer Eltern zu übernehmen, was Sie ablehnten. Sie absolvierten trotzdem widerwillig die Landwirtschaftsschule. Im Buch behaupten Sie, dass Sie gerade diese Lebensphase gelehrt hat, dass man erfolgreicher ist, wenn man den schweren Weg nimmt. Ist das Ihr Erfolgsgeheimnis?

Mit 14 Jahren, als ich ins Internat kam, war ich noch nicht in der Lage, reif über das Thema Zukunft mit meinen Eltern zu diskutieren. In der Landwirtschaftsschule merkte ich aber schnell, das ist nicht meins. Das war nicht einfach für das Eltern-Sohn-Verhältnis. Ich weigerte mich, am Hof meiner Eltern in den Stall zu gehen. Es gab Szenen, wo ich mit der Winterjacke und mit dem Motorradhelm im Sommer Heu machte, nur um meinen Widerstand zu demonstrieren. Ich erkannte aber auch, schulisch gibt es jetzt keine große Alternative. Aufgeben kam nie für mich infrage. Also beschloss ich, ich ziehe die Matura in der Landwirtschaftsschule durch. Danach stehen mir alle Türen offen, war meine Vorstellung. Seither ist meine Einstellung, wenn ich den härteren Weg gehe, werde ich besser belohnt. Ich weiß nicht, ob sich das belegen lässt, aber meine Lebenserfahrung sagt mir das. Mir war es wichtig, nie den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Viele Menschen machen das leider, weil es der naheliegende Weg ist.

Sie und Ihre Partner haben anfangs keinen Kredit für das Start-up Runtastic bekommen. Wäre das Konzept ohne diese Erfahrung in der Schublade gelandet?

Ganz sicher. Runtastic wäre schon in den ersten Wochen gescheitert, wenn wir auf die gescheiten Leute gehört hätten.

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Wie viele Absagen gab es?

Sicher an die zehn Absagen. Wir schrieben Business Angels und Investoren an. Die häufigsten Ablehnungsgründe waren: Vier Gründer sind zu viel, da gibt es nur Streit. Wer soll mit einem Smartphone Laufen gehen? Das braucht doch keiner. Das Business-Modell des App-Stores gab es noch nicht, also wurde das Risiko als zu hoch bewertet. Sehr oft bekamen wir als Rat: „Macht’s lieber was Gescheites.“ Ich hatte 25.000 Euro gespart und damit gründeten wir die GesmbH. Ein geregeltes Einkommen war nicht drinnen. Wir lebten von Kornspitz mit Käse oder Liptauerweckerl vom Hofer um die Ecke. Das Mittagessen durfte nicht mehr als 2,20 Euro kosten. Alle zwei Monate gönnten wir uns ein Essen um neun Euro beim Italiener. Das war unser Luxus.

Was führte dann doch zum Durchbruch?

Wenn man sich anschaut, warum Bill Gates oder Steve Jobs erfolgreich waren, dann ist der Zeitpunkt sehr oft entscheidend. Auch bei uns war der Zufall der Zeit wichtig. Wir hatten das Glück, dass 2009 das iPhone 3G mit UMTS und dem ersten App-Store auf den Markt kam. Im Oktober 2009 stellten wir unsere App in den Apple-App-Store. Den Zufall der Zeit muss man aber auch wahrnehmen , und das mit vollem Risiko.

Runtastic wurde von Adidas um 220 Millionen gekauft. Sie und Ihre drei Gründungspartner haben mehr als 50 Prozent des Betrages als Anteil erhalten. Wenn man vom Liptauerbrot lebt und sechs Jahre später am Konto ein mehrfacher Millionenbetrag steht – wie fühlt man sich dann?

Ich habe das zwei Mal erleben dürfen. Einige Jahre vor Adidas hat sich der Axel Springer Verlag bei uns mit 50,1 Prozent beteiligt. Egal, wie hoch der Betrag ist, die Situation empfindest du als surreal. Auch wenn ich heute aufs Konto schaue, ist es noch immer surreal. Ich habe mir gewisse Ziele im Leben gesetzt, wo ich mir dachte, ab da bin ich abgesichert. Das haben wir eigentlich mit dem Axel-Springer-Deal schon erreicht. Damals dachte ich mir, das ist unpackbar. Wir fühlten uns frei, waren noch motivierter und konnten endlich groß denken. Damals beschlossen meine Gründungspartner und ich: Jetzt machen wir aus Runtastic eine 100-Millionen-Company.

Nur wenige Zeit später kam der Adidas-Deal ...

Das Schöne ist, wir wollten nie verkaufen, sondern wir wurden immer gekauft. Das verbessert die Verhandlungsposition. Aber der Deal war unheimlich stressig. Wir saßen andauernd mit Anwälten zusammen, um an Shareholder-Purchase-Agreements, Garantien, Haftungen und dem Integrationsprozess zu tüfteln. Es war ein irrsinnig aufwendiger Prozess: Ich hatte fast jeden Abend ein wichtiges Telefongespräch. Dazu kam: Man weiß, man steht vor einem Exit für mehr als 200 Millionen, und nicht einmal die Eltern wissen davon.

Wie hart waren die Kaufpreisverhandlungen?

Der Kaufpreis war bis zum Schluss in der Schwebe. Ein paar Tage vor der Deadline rief unser Verhandler aus New York an und erwischte mich im Auto auf dem Heimweg. „Florian, we have a deal,“ sagte er, „210 Millionen – das ist es. Es scheint so, als würden sie nicht höher gehen. Worauf ich antworte: „Andreas – 210 ist unglaublich. Let’s take it. Ich bin nicht gierig.“ Worauf er antwortet: „Aber ich bin es. Es ist mein Job, gierig zu sein“, und legte auf. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Was, wenn der Knabe jetzt unser Geschäft versenkte? Zehn Minuten später klingelte mein Telefon erneut. Wieder er: „Wir haben es geschafft. Es sind 220 Millionen.“ In zehn Minuten hatte mein Berater nochmals zehn Millionen Euro rausverhandelt. Das war unglaublich.

Ändert sich das Glücksgefühl, wenn man schwerreich ist?

Mein Leben war definitiv nicht unglücklicher oder wir hatten auch nicht weniger Spaß, als meine Gründungspartner und ich nur vom Hofer leben konnten. Für lustige Runden brauchst du kein Geld, sondern Menschen mit Humor und ein paar Runden Bier. Mein Vorbild ist mein Vater. Er wird 65 und genießt sein Leben wahrscheinlich viel mehr als viele andere, die viel reicher sind als er. Das ist eine Einstellung, die man haben muss, das hat nichts mit Geld zu tun.

Wie investieren Sie Ihr Geld? Liegt das Geld in einer Stiftung?

Nein, Stiftung gibt es keine. Ich habe in Immobilien investiert, ein bisschen in neue Start-ups, mir meinen Traum vom Porsche erfüllt und einen Teil lasse ich von einem Private Banker verwalten. Das Geld richtig anzulegen ist kein leichtes Thema, aber es ist auch kein Problem. Eines ist sicher: Ich will nicht der reichste Mann am Friedhof werden. Zwar werfe ich mein Geld nicht beim Fenster hinaus, aber ich habe auch keine Motivation, es maximal zu vermehren oder möglichst viel zu vererben.