Rémi Vrignaud: „Vorsorge braucht mehr als den Staat“
Viele Österreicher verlassen sich beim Thema Vorsorge zu stark auf den Staat, doch das reicht oft nicht aus. Rémi Vrignaud, CEO der Allianz Österreich, gibt Einblicke in aktuelle Versicherungstrends. Zudem fordert er eine Senkung der Versicherungssteuer und eine Attraktivierung der betrieblichen Vorsorge.
KURIER: In welchen Bereichen sehen Sie die größten Vorsorgelücken bei den Österreichern?
Rémi Vrignaud: Wenn wir als Gesellschaft den Lebensstandard im Alter sichern wollen, reicht die staatliche Pension nicht aus. Daher sind Anreize für die zweite und dritte Säule nötig, besonders für Frauen, die oft von Altersarmut betroffen sind. Zudem gibt es Lücken in der Gesundheitsvorsorge und der Absicherung gegen Berufsunfähigkeit, die viele unterschätzen.
Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Basis-Vorsorgen, um im Fall der Fälle abgesichert zu sein?
Dazu zählen private Altersvorsorge, Gesundheits- und Unfallversicherung sowie Berufsunfähigkeits- und Haftpflichtversicherung. Wir bieten unseren Kunden maßgeschneiderte Produkte für eine solide Absicherung und finanzielle Unabhängigkeit.
Welche Vorteile sehen Sie in der betrieblichen Vorsorge, und warum zögern Unternehmen oft, diese stärker zu nutzen?
Die Betriebspension bietet steuerliche Vorteile, höhere Renditechancen und macht Unternehmen als Arbeitgeber attraktiver. Wir wissen aus Studien: 72 Prozent der Österreicher interessieren sich für eine Zusatzpension vom Arbeitgeber, aber nur 42 Prozent bekommen sie. Unternehmen scheuen oft den administrativen Aufwand oder sind nicht ausreichend informiert.
Inwieweit sind steuerliche Anreize ein wirksames Mittel, um die private und betriebliche Vorsorge stärker zu fördern?
Steuerliche Anreize sind eine große Motivation, in die Zukunftsvorsorge zu investieren. Schon lange fordern wir Versicherer, dass die Versicherungssteuer bei Lebensversicherungen auf zwei Prozent halbiert wird. Auch der jährliche Freibetrag der betrieblichen Zukunftssicherung gehört auf mindestens 1200 Euro angehoben. Dieser Freibetrag liegt seit 1975 bei 300 Euro und wurde nie an die Inflation angepasst.
Nachhaltige Investments spielen bei der Allianz eine große Rolle. Wie stellen Sie sicher, dass ökologische und soziale Aspekte auch in der privaten Vorsorge verankert werden?
Wir wählen passende Investmentfonds aus und integrieren ESG-Kriterien in unsere Anlageentscheidungen. Unsere Kunden erhalten transparente Informationen und Produkte, die finanzielle, ökologische und soziale Ziele berücksichtigen.
Wie bewerten Sie die aktuelle regulatorische Landschaft in Österreich hinsichtlich der Förderung von Nachhaltigkeit in der privaten Vorsorge?
Es gibt Fortschritte, aber noch Luft nach oben. Der Gesetzgeber sollte nachhaltige Finanzprodukte fördern und klare Richtlinien geben. Nachhaltige Veranlagungen müssen sich für Kunden lohnen.
Welche Vorsorgestrategien bieten Sie gegen klimabedingte Risiken an?
Wir brauchen eine solidarische Lösung: Viele zahlen wenig, damit im Krisenfall alle abgesichert sind. Andere Länder wie beispielsweise Belgien zeigen, wie es gehen kann. Die Naturkatastrophendeckung ist dort in die Feuerversicherung integriert. Das könnte auch in Österreich funktionieren. Hier ist die Politik am Zug.
Welche großen Vorsorgetrends sehen sie 2025?
Nachhaltige Investments und ESG-Kriterien werden in Zukunft wichtiger werden, ebenso wie Gesundheits- und Pflegeversicherungen. Wir müssen maßgeschneiderte Lösungen anbieten und unseren Service einfacher und schneller gestalten.