Motor

Zum 80.Todestag von Bernd Rosemeyer: Das letzte Duell

Mercedes-Benz gegen Auto Union oder Rudi Caracciola gegen Bernd Rosemeyer – diese Duelle, gefördert und finanziert vom Nazi-Regime, hielten damals ganz Deutschland in Atem.

Der Morgen des 28.Jänner war kalt, aber trocken. Rudolf Caracciola erinnert sich in seinem 1953 erschienenen Buch „Meine Welt“: „Es ist noch dunkel, als ich auf die Autobahn komme. Wie eine Sichel steht der Mond über dem kleinen Tannenwäldchen am Startplatz. Überall liegt Raureif. Die Straße ist ganz weiß ...“

Das Mercedes-Team hat sich bereits in einem Zelt eingerichtet. Direktor Sailer, der Chefkonstrukteur ist da, nicht zu überhören die Stimme von Rennleiter Alfred Neubauer, auch Manfred von Brauchitsch ist anwesend, alle in schwere Wintermäntel gehüllt. In der Morgendämmerung nimmt der Mercedes-Rekordwagen Konturen an. Caracciola findet ihn „riesenhaft, gedrungen, ein vorweltliches Ungetüm auf vier Rädern.“

Ein Blick zu den Tannenwipfeln hinauf, die sich im Morgenwind „sehr wenig, wie verschlafen bewegen“, gibt Caracciola das Gefühl, „dass vom Wind her keine Gefahr droht.“

Nach einer Inspektionsfahrt in einem Mercedes-Tourenwagen beschließt er, erst zu starten, wenn der Reif weggetaut ist. Was gegen 8 Uhr der Fall ist.

Der Antrieb

Im Oktober 1937 hatte Mercedes das Duell um den schnellsten Silberpfeil verloren. Bernd Rosemeyer ging in die Geschichte ein: Als erster Mann der Welt durchstieß er auf einer öffentlichen Verkehrsstraße die 400-Stundenkilometer-Barriere. Er fuhr mit dem 6-Liter-V16-Stromlinienwagen, der auf ein Leistungsgewicht von 1,875 kg pro PS kam, ein Mittel aus Hin- und Rückfahrt von 406,3 km/h.

Zerknirscht war Mercedes in den Winter gegangen. Sowohl in Zwickau bei der Auto Union als auch in Untertürkheim wurden die Stromlinien-Boliden für die neuen Rekordfahrten im Jänner 1938 überarbeitet. Das Regime hatte sie befohlen.

 

Die Geheimniskrämerei war groß, So erfuhr Bernd Rosemeyer erst am Vorabend des 28.Jänner, dass man den 16-Zylindermotor von 6 auf 6,5 Liter vergrößert hatte. Ferner wollte die Autounion den Lufteinlass am Bug des Rekordwagens zunächst offen lassen, um dem Erzfeind Mercedes keinen Hinweis zu geben, dass man diese Öffnungen gar nicht mehr braucht, weil der Motor ohne herkömmliche Kühlung auskam.

 

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Caratsch fährt 428,571 km/h auf der Hinfahrt, auf der Rückfahrt erreicht er 436,893 km/h, was ein Mittel von 432,692 km/h ergibt. Damit hatte er den Rosemeyer-Rekord aus dem Oktober 1937 um 26 km/h überboten. Die Leistung des 12-Zylindermotors betrug 646 PS.

Dann fuhr er ins Hotel zurück. Als man genüsslich beim Frühstück saß, platzte Neubauer in den Saal: „Die Auto Union ist da, mit Rosemeyer ...“ Das letzte Duell nahm seinen Lauf. Caracciola schmeckte das Frühstück nicht mehr, es trieb ihn hinaus zur Autobahn. Als er draußen ankam, fiel ihm sofort auf: „Der Wind ist stärker geworden.“

Die umfangreichste Dokumentation über den Rosemeyer-Unfall hat Peter Kirchberg in seinem 1982 im Motorbuch-Verlag erschienenen Buch „Grand Prix-Report Auto Union 1934-1939“ zusammengetragen, er hatte Einblicke in jene Dokumente genommen, die im Staatsarchiv Dresden aufbewahrt sind. So erfahren wir, dass der erste Motor für diese Jänner-Rekordfahrten mit einer Maximalleistung von 560 PS bei 4800 bis 4900 Touren gebremst wurde.

Seitenwind

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Prof. Eberan von Eberhorst, der in Wien geborene Renningenieur der Auto Union musste auf Geheiß von Rosemeyer die Schürzen, die seitlich unter dem Rekordwagen vorgesehen waren, wieder anschrauben, auch wenn der Wiener Professor ihn vor der erhöhten Seitenwind empfindlichkeit warnte.

Caracciola drängte sich durch die Menge zu dem bereits im Rekordwagen sitzenden Rosemeyer vor und wünschte ihm Hals und Beinbruch. Der Wind war stärker geworden.

 

Nach einem Warm-up, in dem Rosemeyer 429,9 km/h erreichte, startete er um 11:47 Uhr zur ersten richtigen Rekordfahrt. Aber selbst über den genauen Zeitpunkt des Starts gibt es unterschiedliche Aussagen in den Protokollen. Die Wetterwarte des Flughafens Frankfurt wird später die schriftliche Auskunft erteilen, dass „zwischen 11 und 12:30 Uhr wiederholt Böen von 11 Meter pro Sekunde registriert wurden.“ Böen von 11 Meter pro Sekunde sind fast 40 km/h Wind – Seitenwind in diesem Fall. Prof. Eberan sagte Jahre später: „Wir realisierten nicht, wie wichtig eine Seitenflosse gewesen wäre ...“

Die Posten draußen auf der Autobahn melden:

Kilometer 5 – durch

Kilometer 7,6 – durch

Kilometer 8,6 – durch

Kilometer 9,2 – der Wagen ist verunglückt!

Seitenwind brachte den Wagen aus der Spur. Peter Kirchberg druckt in seinem Buch „Grand Prix Report Auto Union“ das Protokoll eines Augenzeugen ab: „Ich habe den Eindruck, dass Rosemeyer, als er auf den Grünstreifen gekommen war, angesichts des nur ca. 400 m entfernten Brückenbogens mit aller Gewalt versuchte, den Wagen durch Gegensteuern und Bremsen glücklich durch den Brückenbogen zu bringen.“

Für Rosemeyer kam jede Hilfe zu spät.

Automobilhistoriker Kirchberg hatte in seinem 2008 im Delius Klasing Verlag erschienenen Buch „Bernd Rosemeyer – Die Schicksalsfahrt“ neue Recherchen zur Todesfahrt veröffentlicht. So heißt es: „Es ist mehr als fraglich, ob der Seitenwind, selbst wenn wir die maximal 10 m/sec einmal annehmen, allein in der Lage gewesen wäre, den Wagen von der Fahrbahn zu drücken. Vielmehr ist anzunehmen, dass die aus dem Kühlereinlass ins Cockpit gelei tete Luft bei Tempo 400 zu einem Orkan angeschwollen war und Rosemeyer den Hebel betätigt hat, der die Luft nach unten abgeleitet und damit den Luftstrom in der geschlossenen Düse gestört hat.“

 

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Die SS hatte Rosemeyer längst vereinnahmt und ihm zum SS-Hauptsturmführer befördert. Er starb als Held auf dem Altar des Regimes.

Rudolf Caracciola sagte über Rosemeyer: „Von den Jungen war er der Verwegenste und sicherlich ein Naturtalent. Er kannte keine Furcht und das ist oft nicht gut. Wir fürchteten tatsächlich in jedem Rennen um sein Leben. Aber dass er ausgerechnet bei einer Rekordfahrt ums Leben kommen sollte, hätte niemand gedacht.“

Caracciola wurde zu einer Legende. Er starb 1959 im Alter von 58 Jahren in der Schweiz an einem Leberleiden.

von Helmut Zwickl

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