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Wiener Neustadt/Bucklige Welt: Tor zum Schmankerlparadies

Es war eine sumpfige, schottrige Gegend, das Steinfeld im Süden von Wien, wo der Babenberger Leopold V. 1192 beschloss, eine neue, stark befestigte Stadt zu errichten – Wiener Neustadt.

Das Geld dafür war vorhanden, Richard Löwenherz sei Dank. Für ihn zahlte das Königreich England 23 Tonnen Silber, damit ihn der Babenberger wieder freiließ. Wiener Neustadt wurde sehr bald dank zahlreicher Privilegien zu einer Handelsstadt mit internationalem Warenaustausch, war Residenzstadt unter Friedrich III, der in seiner Zeit als „Erzschlafmütze“ galt, aber dennoch sehr erfolgreich war, sowie seinem Sohn Maximilian.

Wiener Neustadt war aber auch Zentrum jüdischen Lebens, im Industriezeitalter Pionier (der Kaiser wollte weder die Arbeiter noch den Gestank der Industriebetriebe in Wien, so Kurator Beat Gugger), Zentrum der aufstrebenden Auto- und Flugzeugindustrie (Austro Daimler, Ferdinand Porsche), in den Weltkriegen großer Munitions- und Waffenlieferant (im Zweiten Weltkrieg mit tausenden KZ-Gefangenen und Zwangsarbeitern) und damit Ziel eines Bombenhagels mit mehr als 50.000 Fliegerbomben, den fast kein Haus überlebte. Es fand schließlich doch wieder zu einer wichtigen Rolle als Industrie-, Handels- und Bildungsstadt.

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Rund um die Landesausstellung 2019 wurde die ganze Stadt herausgeputzt, der Hauptplatz ist kaum mehr wiederzuerkennen. Zahlreiche Restaurants und Cafés laden zum Verweilen ein. Es lohnt sich, mehr als einen Tag für Wiener Neustadt vorzusehen, um auf den Spuren von Ferdinand Porsche oder im Museum „Nadelburg“, einer abgeschlossenen Fabrikssiedlung im Osten von Wiener Neustadt Richtung Lichtenwörth, zu wandeln. Oder entlang des Wiener Neustädter Kanals zu flanieren, der wichtigen Transportroute nach Wien vor dem Bau der Eisenbahnstrecke von Wien nach Triest.

So manche Aha-Erlebnisse sind garantiert, etwa durch die Information, dass Tito, der spätere Präsident von Jugoslawien, einmal Werksfahrer für Porsche war. Oder dass Ludwig van Beethoven in Wiener Neustadt kurz eingekerkert wurde, weil er, ob seines verwahrlosten Aussehens, für einen Landstreicher gehalten wurde.

Die Wege in der Innenstadt sind am besten zu Fuß zu bewältigen und sind sehr gut beschildert. Trotz der Bombardierung ist die mittelalterliche Struktur der Stadt noch klar zu erkennen, abgesehen von der „Grazer Straße“, mit der nach dem Zweiten Weltkrieg eine breite Schneise durch den Stadtkern geschlagen und das Schloss abgetrennt wurde.

Als zentraler und dennoch ruhiger wie sehr gut erreichbarer Standort für Übernachtung und Stärkung bietet sich das neu erbaute Hotel Hilton Garden Inn an. Einige der Parkplätze sind zudem mit E-Ladeanschlüssen versehen. Grundsätzlich ist die Tour sehr gut für E-Mobile geeignet, die Ladeinfrastruktur ist vorbildlich.

Von Wiener Neustadt führt unsere Route für Eilige über die Südautobahn und Bundesstraße in den traditionsreichen Ort Krumbach in der Buckligen Welt oder abseits der Autobahn entlang der alten Verbindungsstraße zwischen Wiener Neustadt und Güns (Köszeg) über Pitten, Thernberg und Lichtenegg nach Krumbach.

Krumbach ist eine der wenigen Landgemeinden mit steigenden Einwohnerzahlen, erzählt Andreas Ottner, Besitzer und Küchenchef im Krumbacherhof an der Bundesstraße stolz, unserem nächsten Quartier. Sehr geräumige, liebevoll eingerichtete und ruhige Genießerzimmer auf eine Wiese hinaus machen den Aufenthalt neben dem sehr empfehlenswerten Restaurant zu einem Erlebnis.

Ottner übernahm nach Lehrjahren als Koch in der Spitzengastronomie das zwischendurch als Bürogebäude genutzte frühere Wirtshaus und baute es zusammen mit seiner Frau nach seinen Plänen um. Die zweite Leidenschaft neben dem Kochen ist das Radfahren. Ottner gibt nicht nur Tipps für Radler, sondern leitet auch selbst Touren etwa auf den Hutwisch, einen Aussichtsberg, oder auf den Hochwechsel.

Unmittelbar mit der langen Ortsgeschichte verbunden ist das Schloss, das rund zehn Minuten mit dem Auto entfernt auf einem Hügel im Wald liegt und vor etlichen Jahren zu einem noblen Schlosshotel umgebaut wurde. Nach mehreren Besitzerwechseln gibt es derzeit einen neuen Versuch, zu altem Glanz zurückzufinden.

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Auch früher gab es einige Besitzerwechsel. Besondere Spuren hinterließen die Puchheimer, die in Krumbach eine große Ziegelei betrieben, die unter anderem die Ziegel für die Kasematten in Wiener Neustadt lieferten, so Rainer Holzbauer, Leiter des Krumbacher Museumsdorfs.

Auf Feinschmecker warten rund um Krumbach gleich mehrere Höhepunkte: Auf einem Hügel thront die riesige Anlage der inzwischen bundesweit bekannten Eis-Greißler. Die Familie Blochberger baute ihren ehemaligen Biobauernhof in eine Eis-Erlebniswelt samt ständig wachsendem Erlebnispark für Kinder um. Ein riesiger Parkplatz zeigt, dass es sich hier um keinen Geheimtipp mehr handelt. Dennoch ist das Café auch für schnelle Stärkung zwischendurch ein heißer Tipp. Die Kellnerinnen sind ebenso effizient wie die Küchentruppe.

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Beschaulicher sieht es bei der Familie Hackl aus, die einen Schafzuchtbetrieb auf einem gegenüberliegenden Hügel betreibt und Kunden nicht nur mit ihren exzellenten Schafkäsesorten und -Joghurts erwartet, sondern ihre Tiere zudem hautnah erleben und streicheln lässt. Die junge Familie strahlt eine berührende Authentizität und Liebe zu ihren Tieren aus.

Sehr professionell durchorganisiert wirkt der Betrieb des Ziegenkäsefabrikanten Mandl. Er heimste mit seinen Käsearten bereits mehrere hohe Auszeichnungen an. Kunden können dank eines Automaten rund um die Uhr oder während der Geschäftszeiten im Laden einkaufen. Auf großen Schautafeln im Hof gibt Mandl den Besuchern Einblick in sein Geschäft, aber auch auf seine Vorfahren, die bereits 1921 ein Windrad samt Batteriespeicher errichteten.

Während das Windrad der Mandl-Vorfahren 1921 noch eher wie ein Klapotetz aussah, steht ganz in der Nähe des Ziegenhofes, in Lichtenegg, inzwischen ein modernes Windrad, dessen Plattform als Aussichtswarte genutzt wird. Zutritt gibt es gegen Voranmeldung (siehe Leben entlang der Route).

Wer nach den Verkostungen von Schaf- und Ziegenkäse Lust auf ein Bier bekommt, ist in der Privatbrauerei Schwarz an der Hauptstraße in Krumbach an der richtigen Adresse. Brauchef Gerald Schwarz, im Hauptberuf IT-Spezialist, ärgerte sich schon als Jugendlicher über das in Österreich erhältliche Weizenbier und begann, im Badezimmer seiner Mutter mit Bierbrauen zu experimentieren. Nach zunehmendem Erfolg übersiedelte Schwarz in die Garage des Krumbacherhofes und tüftelte zusammen mit Wirt Ottner weiter an diversen Rezepten. „Irgendwann“, erzählt Schwarz, „hatte ich genug davon, dass ich immer das Bier machte und alle anderen es tranken, nur für mich blieb keines.“ Er entschloss sich, eine eigene Brauanlage zu errichten.

Um zwischendurch auch ein wenig die Lunge durchzulüften und ein paar Kalorien zu verbrennen, empfiehlt sich ein rund einstündiger Rundweg vom Krumbacherhof über Königsegg entlang eines kleinen Baches zum Museumsdorf. Hier ist noch jene alte Bauernkultur zu finden, die kaum mehr existiert. Es mag auch am Erdbeben im 19. Jahrhundert in der Gegend liegen, dass es so wenig alte Bauten gibt. Auch der stattliche Tannbauerhof, der im Museumsdorf Krumbach mit wissenschaftlicher Begleitung wieder aufgebaut wurde, zeigte deutliche Erdbebenschäden, erzählt Museumsleiter Holzbauer. Das Museumsdorf ist klein, aber sehr fein und informativ. Teil des Museums ist das Bürgerspital, das die Puchheimer für die Ortsbevölkerung errichten ließen. Das Museumsdorf ist überaus aktiv, die ganze Saison sind zahlreiche Veranstaltungen geplant.

Einen wunderbaren Ausblick auf den Ort und die Burg bietet die gotische Erasmus-Kirche auf dem gegenüberliegenden Hügel inmitten des Friedhofs. Noch älter ist die Hauptkirche. Sie soll auf das 9. Jahrhundert zurückgehen.

Von Krumbach geht es weiter nach Bad Schönau, wo im Ort eine der interessanten Wehrkirchen der Buckligen Welt zu sehen ist und gegenüber auf einem Hügel das Gourmetlokal Triad samt Golfplatz Genießer verwöhnt.

Wir folgen der Straße nach Kirchschlag, bekannt durch die Passionsspiele, vorbei am empfehlenswerten Traditions-Hotel Post am Ortsende bergauf nach Wiesmath und Hochwolkersdorf, dem Geburtsort der Zweiten Republik (samt Museum), wo Karl Renner die Anweisungen von Stalin mitgeteilt wurden. Über Schleinz erreichen wir Frohsdorf mit dem Schloss der Bourbonen.

Hier errichtete Henri V., Graf von Chambord und letzter Erbe der älteren Bourbonen-Linie in Frankreich, eine Exilregierung und hielt in dem barockisierten Schloss mehr als 20 Jahre Hof. Auf dem „Bourbonenweg“ sind wichtige Stationen aus dieser Zeit nachzulesen.

Der Abschnitt zeigt ein betörend schönes Panorama mit dem Schneeberg als Begleiter. Genießer sollten kein hohes Durchschnittstempo bis zum Ziel, Wiener Neustadt, einplanen.

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Entspannt brechen wir dort am nächsten Tag Richtung Grünbach auf. Auf einem Hügel vor einem ehemaligen Gasthaus empfängt uns „Frau Franzi“ in der Montur einer Putzfrau. Marika Reichhold ist international tätige Theaterpädagogin, führt aber seit einigen Jahren als Putzfrau Franzi Jung und Alt durch das liebevoll eingerichtete Kohlemuseum Grünbach, das im früheren Wirtshaus ihrer Eltern eingerichtet wurde. „Kindern muss ich heute überhaupt erst erklären, wofür Kohle verwendet wurde“, so Frau Franzi. Sogar Theater wird im Museum gespielt.

Das Wirtshaus „war das Wohnhaus der Bergleute.“ Bevor die Knappen in den tiefen Schacht fuhren, stärkten sie sich mit Schmalzbrot und Kaffee. Hinterher erholten sie sich von der schweren Arbeit. „Die Wohnungen waren damals sehr klein, die Familien sehr groß“, erklärt Frau Franzi. 27 Wirtshäuser habe es in der Blütezeit des Kohlebergbaus in Grünbach gegeben. Die Steinkohle aus Grünbach war in Österreich heiß begehrt. 1965 kam das Aus – ausländische Steinkohle war billiger.

Das Piestingtal erreichen wir durch eine idyllische Hügellandschaft. Als Erstes geht es zurück auf die Hauptstraße, dann Richtung Puchberg am Schneeberg und nach wenigen Kilometern rechts auf den Ascher und weiter nach Miesenbach, Reichental, wo wir links in die Bundesstraße Richtung Pernitz und Gutenstein einbiegen.

An der Hauptstraße Nr. 21 warten bereits Ingo Rickl und Karl Zimmel von der Raimundgesellschaft sowie Gabriele Fuchs, die durch das Museum leitet. Gutenstein spielte in dem kurzen, erfolgreichen wie tragischen Leben des Ferdinand Raimund eine große Rolle. Im Museum, einem Gästehaus zu Zeiten Raimunds, wo er mehrmals übernachtete, werden die Besucher nicht nur auf die Umgebung eingestimmt, die Raimund sehr inspirierte. Frau Fuchs erzählt auch anschaulich über die wichtigsten Stationen im Leben des Theaterschriftstellers („Der Bauer als Millionär“, „Der Verschwender“, „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“), der 1790 als Sohn eines Drechslers in Wien geboren wurde, früh verwaiste und sich dann als Numero sein erstes Geld in Theatern verdiente.

Bereits zu Lebzeiten wurden seine Stücke international, selbst in den USA, aufgeführt. Inzwischen sind sie sogar ins Japanische übersetzt, so die zwei Vizepräsidenten der Raimundgesellschaft. Gutenstein selbst ist seit 1993 Schauplatz der Raimundfestspiele, die derzeit Andrea Eckert leitet.

Raimund liebte Gutenstein. „So schau ich dich im Frühlingsschein, Du mein geliebtes Gutenstein“ ist der Anfang eines Gedichtes von ihm. Über eine kurze, kurvenreiche Fahrt auf den Mariahilfberg und einen kurzen ebenen Spaziergang ist der Raimundsitz zu erreichen mit einem wunderbaren Ausblick auf den Schneeberg. Der Mariahilfberg mit einem Servitenkloster war auch beliebter Wallfahrtsort.

Danach geht es wieder steil bergab, eventuell mit einem Zwischenstopp in dem empfehlenswerten Waldbauernmuseum im Ort. Die Route führt über Pernitz, wo sich am Ortsanfang linker Hand die Raimundvilla hinter einem hohen Zaun versteckt. Sie ist in Privatbesitz und nicht zugänglich. Über Waldegg erreichen wir entspannt in rund einer halben Stunde wieder Wiener Neustadt.

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Erste Adresse für Informationen über Wiener Neustadt, über Reisepakete, Übernachtungsangebote, das große Schnidahahn-Fest im August in Wiener Neustadt (Genuss-Markt mit zahlreichen Schmankerl-Anbietern aus der Region), die Genuss-Vereinigung zwischen Gasthäusern und Bauern „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“, die vielfältigen Kultur- Festspiele (z. B. Raimundspiele in Gutenstein), die Besichtigung des Windparks in Lichtenegg, über Bourbonen in der Buckligen Welt, Schnapsbrenner, Mostheurige und Alpaka-Höfe in der Region ist die Wiener Alpen in Niederösterreich Tourismus GmbH, Schlossstraße 1, 2801 Katzelsdorf. www.wieneralpen.at, www.wiener-neustadt.at

Als Nachfahre der mittelalterlichen Mundschenke sieht sich Bierbrauer und Biersommelier Gerald Schwarz, der nicht nur sein Bier, sondern auch Bier-Kulinarien und geführte Bierverkostungen anbietet. Privatbrauerei Schwarz, Bundesstraße 100, 2851 Krumbach. 
www.schwarzbraeu.at

Schafe Streicheln, Käse und Würstln von Lamm und Schaf gibt bei „Hackl’s Schofstoi“ in Krumbach. www.facebook.com/hacklsschofstoi 

„Das Eis vom Lande“ mit Bioprodukten samt riesigem Vergnügungspark und Parkplatz finden Fans vom Eis-Greißler in Krumbach. www.eis-greissler.at

Ziegenproduktefans können auf Mandls Ziegenhof aus dem Vollen schöpfen. www.ziegenhof.at

„Buckl biken“ für Rennradfahrer und Mountainbiker samt E-Ladestation bietet neben hervorragendem Essen und sehr angenehmen Genießerzimmern die Familie Ottner vom Krumbacherhof. www.krumbacherhof.at

Sehr interessant ist das neu gestaltete Museumsdorf Krumbach. www.museum-krumbach.at

Freunde von Ferdinand Raimund kommen in Gutenstein auf ihre Rechnung. Sehr empfehlenswert sind auch die Museen und ein Ausflug auf den Mariahilfberg.
www.raimundspiele.at, www.waldbauernmuseum.at, www.gutenstein.at, www.mariahilfberg.at, www.gauermannmuseum.at

 Für Jung und Alt unterhaltsam und informativ zugleich ist eine Führung mit „Frau Franzi“ durch das Bergbaumuseum Grünbach.
 www.bergbaumuseum-gruenbach.at

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