Routen für Genießer: Durchs Ötztal
Von Maria Brandl
Wir stehen mitten in einer mondbeschienenen Hochgebirgslandschaft und können uns nicht sattsehen daran.“ Das war am 27. 5. 1931 und Höhenflugrekordler Prof. Piccard und sein Team waren mit ihrer Stratosphärenkapsel „gestrandet“, hatten keine Ahnung, in welchem Land, hielten die Gegend jedoch für menschenleer. Ihr Glück: Sie waren auf dem Obergurgler Gletscher und schon am nächsten Tag wurden die völlig entkräfteten Männer gerettet. Diese Sensation ging damals um die Welt und machte das Ötztal international bekannt. Das kleine Bergdorf Obergurgl mit damals 14 Bauernhöfen war mit einem Schlag weltberühmt.
Dabei ist das Tal selbst eine Anhäufung von Rekorden: Es ist das längste Seitenteil des Inns, mit dem größten Gletscherskigebiet der Ostalpen, dem höchsten bewohnten Kirchdorf Österreichs (Obergurgl, 1930 m), den höchstgelegenen, durchgehend bewirtschafteten Bauernhöfen (Rofenhöfe, Vent, 2014 m), dem höchsten Wasserfall Tirols (Stuibenfall bei Umhausen, 159 m) und dutzenden Dreitausendern.
Seit mehr als 4000 Jahren siedeln Menschen hier, zuerst hoch oben am Berg, wie in Farst bei Umhausen, weil unten die reißende Ache und die Sümpfe zu gefährlich waren. Später an den Leiten (Lehn), um Ackerboden im Tal zu sparen.
So eine harte Umgebung prägt die Menschen, auch wenn sie aus dem Süden zugewandert sind. Berühmte streitbare Vertreter sind der Mitbegründer des Alpenvereins, Pfarrer Franz Senn aus Längenfeld, sowie der Heimatforscher Hans Haid (Buchtipp: „Ötztal. Sagen und Mythen entdecken“ von Haid, Tyrolia).
Geschäftstüchtig sind sie über die Maßen: Das Ötztal wurde von einigen wenigen Familien in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der florierendsten Tourismusregionen Europas entwickelt. Allein Sölden zählt mehr als zwei Mio. Nächtigungen.
Bemerkenswert dabei ist, dass sich die Ötztaler trotz aller Professionalität viel von ihrer Identität bewahrt haben. Es ist ein Genuss, auf einer der beliebten Jausenstationen die urigen Wirtsleute erzählen zu hören. Unbedingt zu empfehlen sind Führungen im Ötzer Turmmuseum sowie im Heimatmuseum in Längenfeld. Der Ötztaler Dialekt wurde sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.
Kraft tanken
Wer von Wien die 550 km nach Ötz anreist, wird das Flair in den Gastgärten schätzen. Etliche der stattlichen traditionellen Häuser wurden zwar bereits im vom Durchzugsverkehr unberührten Ortskern weggerissen, aber die verbliebenen wie das Posthotel Kassl oder der Gasthof Stern lassen die lange reiche Geschichte erahnen.
Ein frischer Kontrast dazu ist ein 10-minütiger Spaziergang entlang der Ache zur Wellerbrücke, wo die Wassermassen über einen Felssturz brechen. Oder der idyllische Piburger See, rund 2 km von Ötz entfernt. Wer den großen Überblick haben will, fährt mit der Seilbahn auf Hochötz. Dort entstand rund um den Wasserspeicher für die Schneekanonen zudem ein großer Kinderspielplatz.
Man kann aber auch gemütlich taleinwärts über die Straße an Höhe gewinnen. Der nächste größere Ort nach Ötz ist Umhausen. Dort wurde neben dem beliebten Ötzidorf eine große Greifvogelstation eröffnet. Die Vögel sind sowohl in Volieren wie auch bei Flugvorstellungen zu bestaunen.
Wanderfreudige marschieren nach der Greifvogelstation weiter und erklimmen über eine „Wasserfallstiege“ den Anfang des Stuibenfalls, mit 159 m ist er der höchste in Tirol. Auch Laternenwanderungen werden angeboten. Wer nur einen tollen Blick auf den Wasserfall und ins Tal möchte, aber keine unnötigen Kalorien verbrennen will, nimmt die Straße nach Niederthai bis zum gut gekennzeichneten Panoramablick (für Rollstuhlfahrer und Busse geeignet). Der Stuibenfall entstand übrigens bereits vor 9000 Jahren und wird vom Ferner Zwieselbach gespeist. 2000 Liter Wasser pro Sekunde stürzen in die Tiefe. Interessante Ausblicke bietet auch die neue Therme in Umhausen, etwa auf Farst, eine der ersten Siedlungen im Ötztal.
Auf Dreitausender blicken Besucher des Aqua Dome in Längenfeld in einem der großen Außenbecken. Nach der Entspannung in der Therme lassen sich die engen Kehren hinauf nach Gries oder nach Burgstein noch besser genießen.
Wem dann in der Höhenluft der Hunger kommt, kann sich vor Ort stärken oder bis Vent zu den Rofenhöfen (Zufahrt ist erlaubt) oder bis zum „Sahnestüberl“ Richtung Obergurgl durchhalten. Es lohnt sich. Die traumhaft gelegenen Rofenhöfe waren ein Drehort für die „Geierwally“. Von Vent aus dagegen startete Pfarrer Senn im 19. Jahrhundert den Alpintourismus.
Motorradmuseum
Solcherart eingestimmt erklimmen wir über die wunderschöne Mautstraße (8 km) das Timmelsjoch. Die neue Attraktion vor Ort, das mit 2175 m höchstgelegene Motorradmuseums Europas nach Aussagen der Gründerväter, der Brüder Alban und Attila Scheiber aus Gurgl, ist ganzjährig geöffnet. Die Entscheidung dafür „fiel vor fünf Jahren“, erzählt Attila Scheiber, Mitglied jener Familie, die nicht nur Prof. Piccard rettete, sondern auch das Gurgltal zur Fremdenverkehrsattraktion ausbaute und die Timmelsjochpassstraße kaufte. Hunderte historische Motorräder samt historischen Zapfstellen und Grenzbalken, aber auch der Rennwagen des Vaters, ein Lotus 23B, sind zu bestaunen. BMW hat sich anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums eine Nische reserviert.
Scheiber plant zudem regelmäßige Sonderausstellungen, wo auch vierrädrige Gefährte (z. B. historische Allradfahrzeuge, Skipistengeräte) zu sehen sein werden, ebenso Passfahrten mit historischen Fahrzeugen, etwa mit alten Mopeds. Im anschließenden Restaurant am „Top Mountain Crosspoint“ wird mit lokalen Produkten ambitioniert aufgekocht. Selbst für E-Mobile wurde mit Ladestationen vorgesorgt.
Über den Bau der Passstraße informieren historisches Filmmaterial und Schautafeln. Sie erzählen vom harten Leben der Pioniere und „Fremdarbeiter“, z.B. aus dem Burgenland, die bei der lokalen weiblichen Bevölkerung sehr gut ankamen. So mancher Pfarrer wetterte sonntags über die neuen Schandtaten. Es gibt aber auch ein futuristisches Passmuseum an der Mautstraße samt fulminantem Weitblick.
Den Weitblick schätzte vor zwei Jahren auch James Bond im „Ice Q“ auf 3048 m am Gipfel des Gaislachkogels in Sölden. Normalsterbliche können es ihm nachtun – am besten im Rahmen eines exklusiven Essens in dem spektakulären Gourmetrestaurant.
Leben entlang der Route
Zwischen Ötz am Anfang und Sölden am Talende liegen nur rund 60 km, aber mehr als 100 Jahre Tourismustradition: Ötz war schon um 1900 ein beliebtes k.-u.-k.-Sommerfrische-Dorf. Sölden ist der junge, moderne Tourismusort mit Bettenburgen neben De-Luxe-Betrieben wie dem „Central“. Mitten im Ötztal liegt Längenfeld mit der Therme „Aqua Dome“.
Erstes Haus vor Ort in Ötz ist das Vier-Stern-Posthotel Kassl (seit 1605). Traditionell, alter Ballsaal als Bar (nur für Hausgäste), Gastgarten.
Posthotel Kassl, Hauptstraße 70, 6433 Ötz, www.posthotel-kassl.at
Gustieren unter regionalen Schmankerln lässt sich im Delikatessengeschäft Plangger.
Plangger, Hauptstraße 41, 6433 Ötz, www.plangger.at
Im früheren Bauernhof hat die Familie Jäger einen Gasthof samt zusätzlichem Gästehaus errichtet. Sehr ruhige Lage, Essen inmitten des Obstgartens möglich, sehr gute Betreuung, frisch zubereitete, mittelständische Küche. Familienfreundlich.
Hotel Jägerhof, Ötzermühlenweg 6, 6433 Ötz, www.der-jaegerhof.at
Alternativen zur üblichen Vollpension in Ötz:
Restaurant Giardino (abends gehobene italienische Küche), Hauptstraße 86
Gipfelstüberl (deftige Hausmannskost), Dorfstraße 9
Café-Restaurant Heiner (gutbürgerliche Küche, sehr professionelle Mannschaft),
Hauptstraße 58, www.heiner.at
Eine empfehlenswerte Alternative zum hippen Thermenhotel ist das idyllische Waldhotel Klause, das in Naturbauweise errichtet wurde, gekocht wird mit Biolebensmitteln. Wenige Schritte von der Therme entfernt. Waldhotel Klause, Unterlängenfeld 190, 6444 Längenfeld, www.waldklause.at
Eine gutbürgerliche Alternative mit überdurchschnittlich freundlichem Personal ist das Hotel Zum Hirschen, wo schon Christian Morgenstern einkehrte. Das Haus stammt aus dem Jahr 1590.
Hotel zum Hirschen, Oberlängenfeld 11, 6444 Längenfeld, www.hotel-hirschen.com
Am Ortsanfang steht das Viersternhotel Stern.
Hotel Stern, Oberlängenfeld 1, 6444 Längenfeld, www.hotel-stern.com
Auf einer Abzweigung nach Längenfelden steil bergauf führt eine Straße nach Burgstein mit der beliebten Jausenstation Siggi im Ortszentrum.
Jausenstation Siggi, 6444 Burgstein 63, www.burgstein.at
Wunderschöne Ausblicke bieten die Rofenhöfe in Vent, einem der Drehorte des Films „Die Geierwally“ und bereits im 13. Jahrhundert erwähnt.
Rofenhöfe, Rofenstraße 3, 6458 Vent, www.rofenhof.at
Einen Abstecher wert ist das Sahnestüberl in Zwieselstein (Abfahrt nach links vor den Galerien von Obergurgl), toll: Kaiserschmarrn.
Sahnestüberl, 6450 Zwieselstein 10
Eine paradiesische Aussicht bietet die Jausenstation am Bichl in Niederthai.
Jausenstation Bichl, 6441 Niederthai 3, bichl.riml.com
Sehr exquisit tafeln lässt sich am Gaislachkogel im Ice Q, James Bond-Drehort auf 3048 m.
Ice Q, Bergstation Gaislachkogelbahn, 6450 Sölden, www.iceq.at
Regionalen Zutaten verschrieben hat sich das Top Mountain Crosspoint Restaurant. Im selben Gebäude ist auch ein sehenswertes Motorradmuseum, das höchstgelegene in Europa laut eigener Aussage.
Crosspoint, Timmelsjochstraße 8, 6456 Hochgurgl, www.crosspoint.tirol
Traditionsgasthaus Krone in Umhausen, wunderschönes Ambiente, sehr gute Küche, aufmerksame Bedienung.
Traditionsgasthaus Krone, Dorf 30, 6441 Umhausen, www.krone-umhausen.at
Ein sehr modernes Hotelkonzept verfolgt das neue Hotel Liebe Sonne in Sölden. Das Essen erfolgt in mehreren Schichten, bei den Zimmern gibt es sehr unterschiedliche Ausblicke.
Hotel Liebe Sonne, Dorfstraße 58, 6450 Sölden, www.liebesonne.at
Weitere Infos über die zahlreichen Aktivitäten des Ötztales sowie über die Ötztal Card samt dem empfehlenswerten Angebot des öffentlichen Verkehrs gibt es beim Ötztal Tourismus:
www.oetztal.com