Motor/News

Warum uns Kindergeschrei im Flugzeug nervt - oder eben nicht

Einchecken, Sicherheitskontrolle, Boarding und endlich die Durchsage: „Ich begrüße Sie herzlich an Bord, die Flugzeit beträgt eine Stunde“. Müde sinke ich in den Sitz. Doch ganz will sich die Entspannung nicht einstellen: Vor, hinter und neben mir sitzen drei Familien. Drei Mal mit Babys, die erstmals an Board sind. Das weiß ich so genau, denn drei Mal haben die Stewards die zusätzlichen Gurte sowie Spielzeug und aufmunternde Worte verteilt.

Das Dämonenbaby


Im Sommer wurde, recht emotional, viel über schreiende Babys im Flugzeug diskutiert. Von einem "Dämonenkind" war da gar zu lesen, das acht Stunden lang durchbrüllte. Die Kommentarschreiber der Qualitätsmedien und auf den Sozialen Netzwerken überschlugen sind. Die Fronten - wieder einmal - : verhärtet. Eltern zu dumm, Gesellschaft zu dumm, nur man selbst immer: Alles richtig gemacht. Nun im November startet  die Airline Corendon für Langstreckenflüge in die Karibik einen Adults-only-Bereich. Kinder? Nicht erwünscht.

Mein Flug führt nicht in die Karibik, sondern von Berlin nach Wien. Und gäbe es diesen, so wäre ich eher im "Family-only" Bereich gelandet. Aber: Alles ist gut, alles lächelt. Bis das Flugzeug startet: Dann geht wie auf Kommando das erste Baby in den Schreimodus.

Und die ersten Augenbrauen ziehen sich genervt hoch.

 

 

Auch ich bin mit Kindern geflogen. Und ich kann die Blicke der Mütter - mittlerweile ist Baby Nummer zwei in das Geschrei eingestiegen - verstehen. Angstvoll ist man, sich der Störung bewusst, man versucht alles zur Beruhigung zu tun - und erreicht doch die Grenzen seiner Macht.

Wie reagieren die Väter?

Interessiert bemerke ich, dass mich Geschrei der fremden Kinder wesentlich weniger stresst, als früher das der eigenen. Entwicklungspsychologisch macht das Sinn. Säuglinge machen ihre Bedürfnisse der Umgebung lautstark kund. Und wir sind darauf programmiert, das nicht einfach entspannt auszuhalten, sondern nach dem Kind zu schauen: Was fehlt ihm? Was braucht es? Wie kann man das Schreien beenden?
So, und nur so, stellt die Natur sicher, dass menschlicher Nachwuchs überlebt. Leider sind die Schreie freilich unspezifisch: Denn was das Kind genau braucht, um wieder zur Ruhe zu kommen? Nicht immer leicht zu erraten.

Die Mütter neben mir tun, was sie können: Stillen, schaukeln, singen und - aber nur in einem Fall - wird das Handy gezückt. Zu sehen, wie die Väter reagieren, ist ebenfalls interessant: Einer beschäftigt das große Geschwisterkind (das tausend technische, ziemlich interessante Fragen zu Aerodynamik hat). Der zweite wedelt intensiv mit einem gelben Plüschtier vor dem Gesicht seines Sohnes. Das stresst mich fast mehr als das Schreien. Der dritte kauft sich in aller Seelenruhe einen Kaffee.
Das hippe Paar im teuer aussehenden Hip-Hop Look samt infantiler Kappe - ich unterstelle ihnen trotz jugendlichem Outfit 50 Jahre - schaut gequält und richtet sich die Kopfhörer. Die Stewards lächeln ihr Dauerlächeln.

Nach dem Schreien kommt die Ruhe. Eine Weile lang jedenfalls

Irgendwann beruhigt sich alles. Und irgendwann geht es wieder los. Ganz so, wie das Leben eben ist. Und wohl immer sein wird. Die Stunde geht vorbei, und die junge Mutter neben mir, das schlafende Kind jetzt in der Bauchtrage verpackt sagt: „Das ging doch gut!“


Einer kürzlich durchgeführten Umfrage zufolge sind fast 60 % der Erwachsenen - in diesem Fall waren die Befragten US-Amerikaner - der Meinung, dass ein kinderfreier Bereich in Flugzeugen und Zügen ein wahrer Segen wäre. Als mir das Baby über den Gang hinweg ein tiefes, ehrliches Lächeln schenkt, bin ich mir nicht ganz sicher, ob dieser kleine „Segen“ nicht das Geschrei voll und ganz aufwiegt.

Teresa Richter-Trummer ist eigentlich am liebsten mit eBike oder Vespa unterwegs - fährt Hund und Kindern zu Liebe aber gerne auch Auto und Zug. Für größere Partien darf sie sogar ans LKW-Steuer. Gerne würde sie Motorboote lenken, aber das kommt erst.

Haben Sie Fragen zur Mobilität mit Kindern? Die Motor-Journalistin ist studierte Entwicklungs-Psychologin und geht gerne darauf ein.  teresa.richter-trummer@kurier.at