Honda ADV350: Stadt, Land, Verkehrsfluss
Von Peter Schönlaub
Müssen jetzt auch brave Roller das Adventurekostüm übergestreift bekommen? So könnte man auch fragen, aber ein Rundumblick in einer Innenstadt nach Wahl gibt die logische Antwort: SUV, SUV, SUV. Der Abenteuerlook liegt im Trend, warum sollten sich also ausgerechnet Roller dagegen wehren?
Im Gegenteil, dass es schlau ist, auf diesen Modezug aufzuspringen, hat Honda erfolgreich mit dem großen X-ADV bewiesen. Über 44.000 Offroad-Roller wurden seit dem Marktstart 2017 verkauft, da erscheint es geradezu zwingend, nun in der Scooter-Mittelklasse ein ähnliches Angebot zu schnüren.
Im Gegensatz zum X-ADV will es der ADV350 mit der Betonung seiner Offroadfähigkeiten freilich nicht übertreiben. Schotterstraßen meistert der Mittelklasse-Roller aber gut, wie wir getestet haben. Da helfen moderat verlängerte Federwege, ein dezent hochgezogener Schalldämpfer und die speziell für den ADV350 entwickelten Metzeler Karoo Street in Scootergröße.
Bewährte Basis
Die technische Basis übernimmt der kantige ADV350 fast völlig unverändert vom Forza 350, der im vergangenen Jahr frisch überarbeitet wurde. Die Dimensionen und Gewichte sind daher ebenfalls annähernd deckungsgleich, die Unterschiede bestehen in ein paar Millimeter beziehungsweise Kilo. So liegt die Sitzhöhe mit 795 um 15 Millimeter, das Gewicht vollgetankt mit 186 um zwei Kilo höher als beim Forza.
Diese genetische Ähnlichkeit will man beiden Brüdern kaum ansehen. Auf den ersten Blick wirken sie eher wie Kain und Abel. Tatsächlich aber sind die Motoren identisch und die Rahmen nur ganz minimal unterschiedlich: vorne am Lenkkopf nämlich, wo der ADV350 eine deutlich massivere 37er-Upside-down-Gabel von Showa präsentiert – aus technischer Sicht der wichtigste Unterschied zwischen den beiden.
Auch die Federbeine sind neu und von Showa, wobei sie auf eine Einstellbarkeit verzichten, dafür Ausgleichsbehälter integrieren.
Die Ausstattung ist ebenfalls ähnlich, aber nicht deckungsgleich. Das ABS, die zweifach justierbare sowie abschaltbare Traktionskontrolle, den Smartkey und die USB-C-Steckdose im links angeordneten Handschuhfach findet man an beiden Rollern.
Unterschiedlich sind die Scheibenverstellung und das Cockpit. Während man am Forza den Windschild per Knopfdruck justiert, muss man beim ADV350 beide Hände zu Hilfe nehmen. Das Verstellen der Scheibe in vier Positionen klappt aber leicht und schnell.
Digital statt analog
Das Cockpit wiederum ist im ADV350 moderner und gleichzeitig doch simpler ausgeführt: Im Blickfeld des Fahrers liegt ein kompaktes LC-Display, das besser zum zeitgeistigen, kantigeren Styling des ADV350 passt als die opulenten analogen Instrumente des Forza. Die kompakten Anzeigen sind gut ablesbar und per Joystick am linken Lenkerende leicht zu bedienen. Smartphone-Connectivity wird ebenfalls geboten.
Einen der größten Vorzüge des Forza übernimmt der ADV350 fast ohne Abstriche: den gewaltigen Stauraum. 48 Liter passen unter den Sitz, oder anders gesagt: zwei Helme. Im Gegensatz zum Forza kommt allerdings das Topcase nicht serienmäßig; wer diesen zusätzlichen, 50 Liter großen Stauraum haben will, muss 400 Euro aufzahlen. Dann wird die „Smart Top Box“ allerdings auch mit dem Smartkey fernentriegelt.
Sportliches Fahren
In Fahrt zeigt der neue Honda-Scooter sportlichen Esprit: Die neue Gabel sorgt für präziseres Einlenken, mehr Stabilität in Schräglage und beim Bremsen. Hier hilft auch der steife Rahmen des in Italien gefertigten Rollers.
Der Komfort kommt dank verlängerter Federwege ebenfalls nicht zu kurz, nur beim Windschutz muss man kleine Kompromisse machen. Werden die Lüfte rund um den Helm noch gut ferngehalten, so werden Knie und Unterschenkel ziemlich direkt angeströmt. Sicher kein Problem im Sommer, aber nachteilig bei kälteren Temperaturen oder Regenfahrten.
Gute Ergonomie
Angenehm ist die Sitzposition, die man dank des großen, breiten Sattels und der langen Trittflächen ein wenig variieren kann. Auch vom Soziussitz wird man sicher keine Klagen zu hören bekommen.
Der Motor selbst ist ja bekannt und bringt satte Power bei gleichzeitig hoher Laufkultur und Geschmeidigkeit in Zusammenspiel mit dem CVT-Automatikgetriebe. Ein moderater Verbrauchswert (WMTC: 3,4 Liter) ergänzt das moderne Paket.
Der Honda ADV ist bereits in drei Farben im Handel, (Mattgrau, Silber, Rot) und kostet 6590 Euro.
Motor/Antrieb
1-Zyl., flüssig gek., DOHC, 4V pro Zyl., 330 ccm, 21,5 kW (29 PS), max. Drehmoment 31,5 Nm
Fahrwerk
Stahlrohrrahmen, USD-Gabel, hinten zwei Stoßdämpfer, Scheibenbremsen v/h, Reifen 120/70-15 und 140/70-14
Maße/Gewichte
Radstand: 1.675 mm, Sitzhöhe: 795 mm, Gewicht: 186 kg
Preis 6590 Euro