Mercedes C 111: Die Geschichte hinter dem legendären Prototypen
Von Michael Andrusio
Mercedes hat nun die Neuinterpretation eines Autos vorgestellt, das Anfang der 70er-Jahre Furore machte. Vision One-Eleven nennt sich die Studie, die so wohl nicht in Serie gehen wird. Allerdings fährt der One-Eleven elektrisch und sein Axialfluss-Motor wird ziemlich sicher in künftige Mercedes-Modelle eingebaut werden. Auch das historische Vorbild, der ursprüngliche C 111 war seinerzeit antriebstechnisch interessant.
Der erste C 111 sorgte im September 1969 anlässlich der IAA in Frankfurt für reichlich Aufsehen. Manche sahen die Studie mit Flügeltüren als kommenden Nachfolger eines 300 SL. Doch der C 111 von 1969 war kein Vorbote eines kommenden Serienfahrzeugs. Vielmehr war er Experimentalfahrzeug, bei dem es nicht nur um die Aerodynamik ging, sondern auch um den Antrieb.
Die konkrete Umsetzung des C 111 hatte 1968 begonnen, zu diesem Zeitpunkt hieß das Projekt aber noch C 101. Nachdem Typenbezeichnungen mit 0 in der Mitte von Peugeot geschützt sind, kam man auf die 111 (ein ähnliches Problem hatte vorher schon Porsche mit der Namensgebung für den 911 gehabt). Das Design stammte von einem Team rund um Joseph Gallitzendörfer und Bruno Sacco. Der C 111 war übrigens auch das weltweit erste Automobil, das von Grund auf am Computer konstruiert wurde. Die Ingenieure verwendeten dazu das Verfahren ESEM (Elastostatik-Element-Methode), eine bei Mercedes-Benz entwickelte Variante der Finite-Elemente-Methode (FEM). Die Digitaltechnik ermöglichte sogar das Berechnen dynamischer Belastungen. Bei Mercedes-Benz geht man davon aus, dass so rund vier Monate Entwicklungszeit eingespart wurden.
Wankelmut
Stichwort Antrieb. Die ersten Versionen des C 111 hatten einen Wankelmotor im Maschinenraum verbaut. Mercedes-Benz hatte seit 1962 mit Wankelmotoren der Baureihen KP bis KC experimentiert. Doch das System sollte noch ausführliche Tests in Versuchsfahrzeugen durchlaufen, bevor der Wankel in ein Serienfahrzeug eingebaut werden konnte.
In der ersten Version war es ein Dreischeiben-Motor mit 600 Kubikzentimetern Kammervolumen je Kreiskolben. Die Leistung war für Ende der 60er-Jahre höchst eindrucksvoll: 280 PS leistete der Mercedes und das machte das flache Coupe bis zu 260 km/h schnell. 1970 verbauten die Mercedes-Entwickler im C 111-II einen Vierscheiben-Wankelmotor, der sogar auf 350 PS kam. Das entsprechende Fahrzeug, der C 111-II, unterscheid sich auch optisch von seinem Vorgänger und wurde auf dem Genfer Autosalon 1970 präsentiert.
Konstruktive Probleme des Drehkolbenprinzips, vor allem in der Motormechanik, bekam die Entwicklungsabteilung von Mercedes-Benz in den Griff, nicht aber den hohen Verbrauch. Zudem war die Schadstoffbelastung im Abgas der Wankelmaschinen zu hoch. Deswegen gab man bei Mercedes 1976 die Arbeit an den Wankelmotoren endgültig auf.
"Die schwierigen Probleme der Motorkühlung und der Motormechanik konnten wir technisch lösen. Das Hauptproblem des Konzepts, der schlechte thermodynamische Wirkungsgrad, blieb jedoch. Die lang gestreckten, wenig kompakten Brennräume führten zu schlechter Kraftstoffausnutzung, damit zu hohem Kraftstoffverbrauch und zu hohen Schadstoffwerten in den Motorabgasen. Diese Nachteile waren konzeptbedingt“, erklärte Dr. Kurt Obländer, Leiter des Motorenversuchs beim C 111.
Im Dezember 1970 wurde in einen C 111-II statt des Wankelmotors ein 3,5-Liter-V8-Hubkolbenmotor eingebaut.1976 entschied sich Mercedes sogar dazu, in das Auto einen Dieselmotor einzusetzen. Für die ersten Testfahrten bauten die Ingenieure einen selbstzündenden Drei-Liter-Saugmotor mit fünf Zylindern in einen C 111-II ein. Das Fahrzeug, das jetzt C 111-IID hieß, holte aus dem Serientriebwerk Typ OM 617 LA, das sonst im Mercedes-Benz Modell 240 D 3.0 (Typ W 115, „ Strich-Acht“) und später auch in anderen Fahrzeugen arbeitete, dank Turboaufladung und Ladeluftkühler immerhin 190 PS. Im Rahmen einer Versuchsfahrt auf der Hochgeschwindigkeitsteststrecke von Nardo erreichte der Benz eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 252 km/h.
Dass Mercedes den C 111 nie in Serie gehen ließ, betrübte zahlungskräftige Autofans. Es gibt Berichte darüber, dass Sammler bis zu einer halben Million DM (damals eine schindelerregende Summe) boten, andere schickten sogar Blankoschecks nach Stuttgart.
Dafür war der Mercedes ein absoluter Publikumsmagnet auf jeder Messe. Im November 1969 war der C 111 auch auf der Jochen Rindt Show in Wien zu sehen. Insgesamt wurden von C 111 und C 111-II gerade einmal 12 Stück gebaut.