Mercedes EQS: So sieht die elektrische S-Klasse aus
Von Horst Bauer
Die Neuigkeiten wurden im Vorfeld schon gut portioniert verkündet. Zu viele technische Innovationen hat Mercedes in die erste Limousine der Luxusklasse mit rein elektrischem Antrieb verpackt, als dass man sie alle bei der offiziellen Weltpremiere am Donnerstagabend in Stuttgart entsprechend würdigen hätte können.
Von der Hyperscreen genannten riesigen Bildschirmeinheit, die sich über die gesamte Fläche des Armaturenträgers spannt, über die große Reichweite von bis zu 770 Kilometern, bis zur enormen Windschlüpfigkeit der Karosserie, deren cW-Wert mit 0,20 einen neuen Rekord aufstellt, wurde auch an dieser Stelle bereits ausführlich berichtet.
Bei der zeitgemäß als gestreamtes Online-Event gestalteten Weltpremiere wurden nun aber nicht nur die letzten Schleier vom tatsächlichen optischen Erscheinungsbild gelüftet. Mercedes Marketing-Vorstand Britta Seeger gewährte einer Gruppe internationaler Fachjournalisten auch Einblicke in die Entstehungsgeschichte des EQS und die Erwartungen, die man in Stuttgart in die elektrische Variante der S-Klasse setzt.
Wobei sie diese saloppe Bezeichnung für den EQS gleich aufnahm, um Missverständnisse erst gar nicht aufkommen zu lassen. Mercedes sieht den EQS gewohnt selbstbewusst als "das erste Elektrofahrzeug in der Luxusklasse", und nicht einfach als elektrifizierte Version der ebenfalls vor kurzem präsentierten neuen S-Klasse. Befürchtungen der Fachpresse, die beiden Luxusliner unter dem Zeichen des Sterns könnten sich bei den Verkaufszahlen gegenseitig kannibalisieren, entgegnet Britta Seeger: "Hier geht es um ein weltweit wachsendes Marktsegment. Daher sind wir optimistisch mit dem EQS zusätzliche Kunden zur bestehenden S-Klasse-Kundschaft bekommen zu können."
Die beiden Modelle würden sich eben auch jenseits der reinen Motorisierungsfrage technisch so weit unterscheiden, dass man damit neue Kundenschichten erschließe könne. Damit sind wohl die vielen jungen Erfolgreichen in den asiatischen Märkten gemeint, die keinerlei Berührungsängste mit den Segnungen der digitalen Welt haben und denen Mercedes mit dem EQS ein Angebot machen kann, das in dieser Hinsicht absolut auf dem Stand der Technik ist. Wenn nicht in manchen Details dieser noch etwas voraus.
So ist der in der Kommunikation bisher immer als Herzstück des EQS-Cockpits präsentierte Hyperscreen letztlich nicht Teil der Serienausstattung. Für diese stehen nur zwei voneinander getrennte Monitore (einer vor dem Fahrer, der andere mittig auf dem Armaturenträger angebracht) zur Verfügung. Dennoch ist Britta Seeger mit Blick auf die technikaffine (vor allem asiatische) Kundschaft überzeugt, dass sich der Großteil den Hyperscreen dazunehmen wird.
Wie überhaupt der asiatische Markt ausschlaggebend war, dass man die neu entwickelte elektrische Fahrzeug-Architektur zunächst für eine Limousine verwendet hat. Seeger: " Wir sehen ein weltweites Ost-West-Gefälle zwischen Limousinen und SUV. In Märkten wie in China, Südkorea oder Japan ist der Zuspruch zur klassischen Limousinen-Form sehr hoch. Das nimmt dann in Richtung Westen in ähnlichem Ausmaß ab, wie die SUV-Form beliebter wird, die in den USA ähnlich dominiert, wie die Limousinen im Osten."
Update direkt ins Fahrzeug
Mit dem EQS betritt Mercedes aber nicht nur technisches Neuland (etwa was die hier erstmals verbaute neue Batterie-Generation mit einer deutlich erhöhten Energiedichte betrifft), auch für das Marketing tun sich neue Chancen auf. So will man die Möglichkeit direkter Updates der Autosoftware (OTA / Over-the-air Update) zusätzlich auch als Geschäftsmodell nutzen. Besitzer eines EQS können so bestimmte Fahrprogramme oder technische Fähigkeiten des Autos nachträglich kaufen oder für eine bestimmte Zeit freischalten lassen.
Zum Beispiel wird ein Fahrprogramm für Fahranfänger angeboten, bei dem der EQS-Besitzer Motorleistung und Höchstgeschwindigkeit reduzieren kann, wenn er sein Auto einem anderen Piloten überlässt. In nochmals reduzierter Form gibt es so ein Programm auch nachzukaufen, um den Fahrern von Valet-Park-Diensten nicht die vollen Fähigkeiten des elektrischen Schmuckstücks in die Hand zu geben.
Aber der Pilot kann sich auch selbst etwas Gutes tun, indem er etwa den größeren Lenkwinkel der Vierradlenkung (10 statt 4,5 Grad) nachbestellt, wenn er in nächster Zeit mehr Stadtverkehr zu absolvieren hat. Was den Wendekreis des immerhin über 5,2 Meter langen EQS von 11,9 m auf 10,9 m schrumpfen lässt.
300 Kilometer in 15 Minuten
Die Bedeutung eines anderen Leuchtturmwerts, mit dem der EQS bisher immer beworben wurde, relativiert die Mercedes-Marketing-Chefin etwas. "Die maximale Normreichweite von 770 Kilometern ist ein beeindruckender Wert, aber Gespräche mit unseren potenziellen Kunden haben uns gezeigt, dass denen ein anderer Wert viel wichtiger ist", gibt Britta Seeger Einblick in die Psychologie der E-Auto-Kundschaft: "Deren Fragen haben sich vor allem darauf konzentriert, wieviel Reichweite sie in welcher Zeit Nachladen können."
Und da hat man mit 300 Kilometern in 15 Minuten (an einer Schnelladestation mit 200 kW) einen Wert zu bieten, der ganz gut ins Bild des "ersten Elektrofahrzeugs der Luxusklasse" passt.
Der Verkaufsstart für den Mercedes EQS erfolgt am 15. Juni (davor wird noch nichts über die Preise verraten).
Die Auslieferung sollte im August beginnen.
Abmessungen
Länge x Breite x Höhe: 5.216/1.926/1.512 mm, Kofferraumvolumen 610-1.770 l, Wendekreis ((mit Hinterachslenkung 4,5°/10°): 11,9/10,9 m
Gewicht (EQS 450+ / EQS 580 4Matic): 2.480 kg / 2.585 kg
EQS 450+ mit Hinterradantrieb: Permanenterregte Synchronmaschine, max. Leistung 245 kW, max. Drehmoment 568 Nm, Beschleunigung 0 - 100 km/h in 6,2 Sekunden, Spitze (elektr. abgeregelt) 210 km/h.
Batterie: Spannung 396 Volt, max. nutzbarer Energeiinhalr 107,8 kWh, Rekuperationsleistung max. 186 kW.
Ladezeit: An Wallbox (11 kW) 10 Stunden, Ladesäule (22 kW) 5 Stunden. An Schnelladestation (von 10 auf 80 %) 31 Minuten.
DC Ladeleistung max. 200 kW. DC Ladung in 15 Minuten bis zu 300 km Reichweite.
Verbrauch 20,4-15,7 kWh/100 km nach WLTP
EQS 580 4Matic: Leistung 385 kW, max. Drehmoment 855 Nm,, Beschleunigung von 0 - 100 km/h in 4,3 Sekunden, Spitze 210 km/h), Rekuperationsleistung max. 290 kW.
DC-Ladung in 15 Minuten bis zu 280 km Reichweite.
Verbrauch 21,8-17,4 kWh/100 km nach WLTP