Vorgestrig? Das unschlüssige Familienbild der Regierung
Von Martina Salomon
Mindestsicherung fördert Kinderreichtum und Fernbleiben von Arbeit.
über das Familienbild der Regierung
Sollen Eltern bei ihren Kindern daheim bleiben – oder nicht? Betrachtet man die heimischen Regelungen, so ist keineswegs klar, was die Politik für wünschenswert hält. "Heim an den Herd" – das galt für Sozialdemokraten schon immer als schädlich, zumindest, wenn es um Frauen mit kleinen Kindern ging.
Diese Linie verfolgt auch der neue Bundeskanzler Christian Kern. Bis 2025 sollen 40 Prozent aller Schulen ganztägig geführt werden, wünscht sich die SPÖ. So weit, so klar. (Und hoffentlich ist das mit einem kräftigen Schul-Neubauprogramm verbunden, ansonsten werden Tausende Schüler in dafür nicht geeignete Gebäude ohne "Auslauf" gezwängt.) Weil Innenminister Sobotka darüber nicht gar so begeistert war (O-Ton: "Es gibt Familien, die wollen ihre Kinder am Nachmittag zu Hause haben"), machte sich Kern bei einem SPÖ-Event in Vorarlberg über die Haltung der ÖVP lustig: "Das ist ja 18. Jahrhundert."
Daheimbleiben belohnt
Anderswo – siehe Mindestsicherung – fördern die Sozialdemokraten aber genau jenes vorgestrige (?) Bild: Die Mindestsicherung belohnt Kinderreichtum und das Fernbleiben von Arbeit – sogar für beide Elternteile. Für einen niedrig qualifizierten Alleinerhalter einer fünfköpfigen Familie ist es nämlich ziemlich schwierig, regulär zu verdienen, was ihm an Mindestsicherung zusteht. Um dasselbe Nettohaushalts-Einkommen zu erreichen, müsste er 2.215 Euro brutto verdienen. Der Staat verlockt also zu Nicht-Arbeit, speziell in Wien (auch wenn theoretisch Sanktionen für jene drohen, die Jobangebote nicht annehmen).
Daher gibt es auch einen sehr hohen Drang von Asylwerbern in die Bundeshauptstadt – natürlich auch, weil sie hier in ihre Communities ziehen können. 85 Prozent der Asylberechtigten im AMS haben nicht mehr als eine Pflichtschule besucht. Rezepte, um sie nicht lebenslang zu Sozialhilfeempfängern zu machen, gibt es noch wenig. Eine Deckelung der Mindestsicherung auf 1.500 Euro pro Familie – wie von großen Teilen der ÖVP gewünscht – wird von der SPÖ strikt abgelehnt. Damit trifft sie sich mit konservativen Kirchenkreisen, die sich immer schon mehr Staatsgeld für Großfamilien und das Daheimbleiben der Mütter gewünscht haben.
Heim an den Herd im Alter
Gänzlich unemanzipatorisch ist die Pensionsregelung: Frauen dürfen im ASVG-Recht noch immer eine Weile lang schon mit 60 in Pension gehen, was seit langem dazu führt, dass sie fünf Jahre früher als Männer in die Rente geschubst werden. "Heim an den Herd" ist für über fünfzigjährige Frauen nämlich überhaupt kein Problem mehr, oder? Ziemlich absurd. Wäre es nicht besser, den Eltern, die das wollen, Zeit für ihre Kinder zu geben, sie dafür aber länger im Arbeitsprozess zu behalten?
Natürlich ließe sich dann auch darüber diskutieren, steuerrechtlich wie in Deutschland zu berücksichtigen, wie viele Menschen von einem Gehalt leben – also Steuersplitting. Weil dies die (unmündigen?) Frauen vom Arbeiten abhalten könnte und Besserverdienern mehr nutzt, gab es immer eine rot-schwarze Koalition dagegen. Aber im Grunde wäre dieses Modell gerechter als die ungedeckelte Mindestsicherung.
Fazit: Wirklich schlüssig ist das alles eigentlich nicht – und billig auch nicht. Eher im Gegenteil.