Meinung

Pro & Contra: Wer zahlt die Pflege?

Lukas Sustala ist Vizedirektor bei Agenda Austria

Wir müssen uns um das Pflegesystem kümmern. Die Pflege ist ein institutionelles Flickwerk. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen künftig häufiger unterstützt werden. Und die Kosten – rund fünf Mrd. Euro für Bund, Länder, Gemeinden, eine Mrd. Euro für Private – sind hoch und werden noch deutlich steigen. Diese unbequeme Wahrheit ist offenbar nicht zumutbar. Eine Pflegeversicherung – solidarisch oder privat finanziert – wird politisch abgelehnt. Das Geld solle lieber "der Staat" aufstellen, und es "aus dem Budget" finanzieren, weil eine Versicherung "die Menschen belaste". Dass der Staat kein Geld hat, sondern nur das Geld der Steuerzahler, wird da ignoriert. Lieber wird etwa eine Erbschaftssteuer in die Diskussion geworfen, obwohl sie – wenn sie etwa ab einer Mio. Euro greift – recht wenig einbringt. Mit dieser Freigrenze mögen 500 Mio. Euro realistisch sein. Doch um den Betrag werden die Pflegekosten bereits bis 2021 gestiegen sein. Tatsächlich gibt es vier Ansätze: Die Pflege weiter aus dem Budget, auf Kosten anderer Posten, finanzieren. Die Sozialversicherungsbeiträge anheben. Eine private Versicherungspflicht wie in Holland einführen. Oder ein steuerfreies Pflegekonto schaffen, in das alle Beschäftigten einzahlen. Wird das Geld gebraucht, ist es da. Wird es nicht gebraucht, geht es an die Erben. Klar ist: Wenn die Diskussion mit dem Stehsatz „das kommt aus dem Budget“ endet, ist das zwar politisch billig – wird ökonomisch aber teuer.

Agnes Streissler-Führer ist Ökonomin bei der Gpa-djp

Karl hat eine pflegebedürftige Mutter. Er verdient gut und seine Familie hat so viel Vermögen, dass Karl es sich leicht leisten kann, eine 24 Stunden Pflegerin zu finanzieren. Er weiß seine Mutter in guten Händen und freut sich darauf später das kaum angeknabberte Vermögen zu erben. Auch Karlas Mutter ist pflegebedürftig. Das Pflegegeld reicht nicht aus, die notwendigen Pflegeleistungen zu finanzieren. Karla wurstelt sich durch, indem sie möglichst wenig Pflegestunden in Anspruch nimmt und selbst einspringt – sie reduziert ihre Arbeitszeit. Das geht zulasten ihrer zukünftigen Pension und sie muss auch auf Ersparnisse zurückgreifen. Würden in Zukunft die steigenden Pflegekosten über die Sozialversicherung (gedeckelt mit der Höchstbeitragsgrundlage) finanziert, so würde Karl prozentuell weniger als Karla zahlen müssen. Wenn hingegen die Pflege steuerfinanziert wäre und alle Wohlhabenden über eine Erbschaftsteuer (die nicht höher sein muss als in anderen Ländern) einen fairen Anteil leisten, ist die Pflege finanzierbar, ohne dass Einzelne deswegen in Existenznöte geraten müssen. Allerdings: Die Finanzierung der Pflege ist eines. Solange wir aber nicht die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich deutlich verbessern, wird uns das dringend notwendige Personal fehlen. Wir dürfen nicht KlientInnen gegen PflegerInnen ausspielen, sondern müssen dafür sorgen, dass Pflegearbeit die materielle und immaterielle Wertschätzung erhält, die sie verdient.