Meinung

Pingpong und ein verspäteter Besuch

Das ist eine Ausnahmesituation, die ganz Europa überfordert und zeigt, dass es eine europäische Solidarität leider nicht gibt.

Dr. Martina Salomon
über Asyl

Angeblich ist Österreich eines der bestverwalteten Länder der Welt. Das erkennt man zum Beispiel daran, dass Wiener Magistratsbeamte keine Mühe scheuen, um am Zentralbahnhof nach Sündern wider die heilige Sonntagsruhe zu fahnden. Leider ist diese tolle Verwaltung, freundlich ausgedrückt, nicht ganz so effizient, wenn es darum geht, den aktuellen Flüchtlingsstrom zu bewältigen. Warum können wir die Sache nicht so professionell wie die Deutschen lösen? Auch dort gibt es Zeltstädte, aber die Länder nehmen ohne peinliches Pingpong-Spiel ihre Verantwortung wahr.

Die meisten heimischen Bundesländer erfüllen die Quote nicht. Daher fehlen Quartiere. Es fehlt jedoch nicht an Matratzen, Decken oder Essen, was Gutmeinende derzeit massenhaft zu den Flüchtlingen transportieren. Österreich liegt bei der Zahl der Asylanträge (im Verhältnis zur Bevölkerung) auf Platz zwei in der EU – hinter Ungarn, das aber eher ein Transitland ist. Griechenland brachte allein gestern 2800 Flüchtlinge mittels Fähre nach Thessaloniki. Die Absicht ist klar: Sie sollen Richtung Mazedonien verschwinden. Unser Pech ist es, das erste reiche Land auf der Westbalkanroute zu sein. Die Zahl der Asylanträge in Österreich hat sich gegenüber dem Vorjahr um 229 Prozent erhöht, im Herbst wird ein vorläufiger Höhepunkt erwartet. Viele Menschen werden bleiben: Syrer, Afghanen und Iraker haben Asylrecht. Das ist eine Ausnahmesituation, die ganz Europa überfordert und zeigt, dass es eine europäische Solidarität leider nicht gibt.

Gestern kamen auch die Spitzen der Republik nach Traiskirchen. Absurd spät. Klare Worte und endlich Taten von Bundespräsident und Kanzler? Gab es bisher nicht. Eher ein Abtauchen. Das alles ist kein beruhigender Befund für das Verwaltungskaisertum Österreich.

Sehr geehrte Frau Salomon,

in Ihrem Leitartikel von Donnerstag, 20. August 2015, nehmen Sie Bezug auf das "Flüchtlings-Pingpong" - wie Sie es nennen - und stellen dem Staate Österreich, insbesondere seinen Bediensteten, einen beunruhigenden Befund aus. Es offenbart sich, dass Ihre Analyse nicht weit genug reicht, scheinen Sie die hervorragende Arbeit der Stadt Wien, die sich derzeit im Dauereinsatz für die tausenden Flüchtlinge befindet, vollkommen außer Acht zu lassen. Wien hat kein Flüchtlingsproblem!

In Wien spielt man kein Pingpong mit dem Leben von Menschen. Hier darf man getrost stolz auf die Verwaltung sein, hat sie es immerhin seit Beginn der so genannten 15a Vereinbarung geschafft, die Quote zu erfüllen. Wien hat die Quote sogar übererfüllt und wird auch in den kommenden Tagen und Wochen gemeinsam mit den Partnerorganisationen zusätzliche Quartiere für Menschen in Not schaffen.

Dass man in Wien kein einziges Zelt findet, ist übrigens kein Zufall, sondern das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen. In Wien ziehen Politik, Verwaltung und Hilfsorganisationen an einem Strang, daher funktioniert die Flüchtlingsbetreuung auch so gut.

Dieses Ineinandergreifen von Politik, Verwaltung und Hilfsorganisationen hat bereits in der Vergangenheit - bis heute - gut funktioniert und zeigt uns in Situationen wie diesen, wie rasch und unbürokratisch wir helfen können.

Gemeinsam mit seinen 16 Partnerorganisationen in der Grundversorgung hat der Fonds Soziales Wien seit Jahresanfang rund 2.000 zusätzliche Plätze geschaffen und sichert damit die Betreuung von 10.000 Flüchtlingen. Rund 80 Prozent (!) der Flüchtlinge leben in Privatquartieren.

Derzeit betreut Wien rund 3.000 Flüchtlinge, die jünger als 18 Jahre sind. Davon haben mehr als 500 Personen eine traumatische Flucht ohne Eltern oder Bezugspersonen erlebt. Für diese Menschen tragen wir eine besondere Verantwortung. Sie brauchen jetzt (!) eine sozialpädagogische Betreuung, Freizeitgestaltung und Bildungsarbeit, zu der "Gutmeinende" - wie Sie es nennen - beitragen können und sollen. Nur so können wir den Jugendlichen eine gute und vor allem friedliche Zukunft ermöglichen.

Aktuell betreut Wien alle unbegleiteten minderjährigen Mädchen - ein Umstand, auf den wir stolz sein können. Diese Mädchen werden professionell vom Arbeitersamariterbund betreut und das ist gut so, denn sie brauchen, wie alle unbegleiteten Flüchtlinge, besondere Unterstützung und Betreuung.

Vielleicht gelingt es mir mit diesem Brief, Ihre Weitsichtigkeit zu schärfen. Denn "Verwaltung" erfüllt wesentliche - in den genannten Fällen sogar menschenrechtlich notwendige - Aufgaben.

Gabriele Mörk SPÖ Wien Landtagsabgeordnete & Gemeinderätin