Meinung

Papier ist geduldig - der Wähler nicht

Das klingt wie ein FPÖ-Vorschlag und wird ohne Öxit schwer gehen.

Dr. Martina Salomon
über die Kanzlerrede

Wie sich manche Debatten doch gleichen: Die Briten diskutierten gerade heftig über eine EU-Ausländerabgabe von 1000 Pfund jährlich für Unternehmen, die Einwanderer anstellen. Das wäre zwar ziemlich absurd (und die britische Premierministerin hat schon abgewunken), aber nach dem Brexit durchführbar. Auch in Österreich ist der Arbeitsmarkt – vor allem in Wien – durch Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern schwer unter Druck geraten. Bundeskanzler Kern hat daher in seiner Rede Mittwochabend eine Arbeitsmarktprüfung vorgeschlagen: Nur wenn sich kein Österreicher für eine Stelle findet, sollte die Firma einen Ausländer anstellen dürfen – selbst, wenn er aus der EU kommt. Das klingt erstens wie ein FPÖ-Vorschlag. Und wird zweitens ohne Öxit schwer gehen. Außerdem hätte das ungemütliche Folgen für Einheimische. Sie müssten dann wohl auch Jobs annehmen, für die sie sich jetzt noch zu schade sind. In Gastgewerbe, Bau und (Haus-)Krankenpflege geht ohne fleißige "Ausländer" fast nichts mehr.

Abgesehen davon fußt ein großer Teil des österreichischen Wohlstands auch darauf, dass heimische Firmen jahrzehntelang prächtig im "Osten" verdient haben. Jetzt den Rollbalken herunterzulassen, wo es für uns ungemütlicher wird, ist ziemlich problematisch.

Man sollte dem Kanzler nicht guten Willen absprechen, er hat etliche vernünftige Anregungen gemacht. Sollte das Ganze aber mehr als ein reines Wahlprogramm sein, warten wir ab jetzt auf konkrete Umsetzungsschritte. Die Abschaffung der EU-Arbeitnehmerfreiheit, zu der sich Kern ausdrücklich bekennt, wird nicht dabei sein. Was dann?

Auch der 1500-Euro-Mindestlohn (dank Kollektivverträgen ohnehin in den meisten Branchen Realität) klingt gut – aber wie verhindert man, dass Firmen danach niedrigst qualifizierte Arbeit noch mehr auslagern?

Ambitioniert ist die Beschäftigungsgarantie für Ältere. Doch wer schafft die Jobs, und wer zahlt sie? Werden das Arbeitsstiftungen sein, um die Statistik zu schönen und den Arbeitgebern die Verantwortung für ihre teuren älteren Mitarbeiter abzunehmen? Das teilweise absurd streng reglementierte Arbeitszeitgesetz sieht Kern ebenfalls als Reformfall. Völlig richtig. Aufheben will er es erst ab einem Monatseinkommen von 7000 Euro. So ein Gehalt erreicht aber ohnehin nur, wer das Arbeitszeitkorsett schon vorher konsequent ignoriert hat. Und wenn Kern eine Reform des Arbeitsinspektorats anregt, so fehlt jetzt nur noch ein Marschbefehl für den Sozialminister, der die "Kettenhunde" wieder zu Partnern der Unternehmen macht, die zuerst mahnen, statt gleich zu strafen.

Interessant war auch die öffentlichkeitswirksame Demutsgeste Kerns vor den SPÖ-Wählern. Er entschuldigte sich für deren Enttäuschungen. Entschuldigte er sich für Faymann, für Häupl, für das Unglück der Großen Koalition – oder vielleicht für die Zuwanderungspolitik? Wir warten gespannt auf Konkretisierungen.