Meinung

Nie geschriebener Kommentar korrigiert

Kurz hat viel gelernt und einiges erreicht

Peter Rabl
über den unterschätzten Staatssekretär

Gelegentlich ist man ganz froh, einen Kommentar nicht geschrieben zu haben. Irgendein Thema erschien vor eineinhalb Jahren immer wichtiger als die merkwürdige Bestellung eines 24-Jährigen zum Staatssekretär für Integration. Die Meinung wäre an dieser Stelle nicht viel anders gewesen als der flächendeckende mediale Spott über den überraschend nominierten Blitzkarrieristen Sebastian Kurz.

Als Chef der ÖVP-Jugendorganisation war er im Wiener Wahlkampf mit seinem schwarzen "Geilomobil" verhaltensauffällig geworden. Sein Gemeinderatsantrag auf Absenkung des Alters für Ordensverleihungen verfiel allgemeinem Gelächter. Das Selbstbewusstsein wirkte arg aufgesetzt, die schönbrunnerische Sprachfärbung eher schnöselig. Insgesamt eine Art KHG für Junge.

Jetzt ist es endgültig Zeit, den nie geschriebenen Kommentar zu korrigieren. Kurz hat in seinem Amt sehr rasch gelernt und inzwischen vieles erreicht. Und gleichzeitig hat er sich bisher seine gewisse Frische und die kritische Distanz zur Politik erhalten. Laura Rudas wirkt im Vergleich wie eine ältliche Tante.

Die Politik, so Kurz in einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung Die Zeit , "steht schlecht da, sogar extrem schlecht. In vielen Bereichen zu Recht". Politiker zu sein, tue "charakterlich wahrscheinlich nicht ewig gut ... Es ist ein totaler Intrigantenstadel. Ein System, in dem man darum kämpfen muss, in der Sache was zu bewegen.

Integration pragmatisch

Kurz weiß, wovon er in seinem Urteil über das politische System spricht. Leicht wird es ihm nicht immer gemacht mit seiner pragmatisch angelegten und ziemlich vernünftigen Integrationspolitik. Viele in der eigenen Partei und weit ins SPÖ-Lager hinein sahen und sehen in der Zuwanderung vor allem Gefahren. Auf der anderen Seite blenden Multikultis immer noch die vielen Probleme mit den Zuwanderern aus.

Kurz hat den erfolgreichen Versuch gestartet, Integration positiv zu besetzen und ein Österreich zu propagieren, "in dem Menschen nicht danach beurteilt werden, woher sie kommen, welche Hautfarbe oder Religion sie haben, sondern danach, was sie hier weiterbringen wollen und ob sie bereit sind, einen Beitrag zu leisten".

In der politischen Praxis liegt Kurz mit seiner Forderung nach massiv verstärktem Deutschlernen für Immigranten ebenso richtig wie dem Drängen nach rascher Anerkennung von im Ausland erworbenen Ausbildungsdiplomen der Zuwanderer.

Mit Inhalten und Auftreten kommt der junge Mann bei den Wählern zunehmend an, gehört nach dem Bundespräsidenten zu den beliebtesten Politikern.

Da ist noch viel drin in dieser jungen Karriere, wenn man ihn nicht überfordert oder er selber abhebt. Und wenn er sich an den Rat eines Freundes hält: "Tu das, was du für richtig hältst. Und was die Medien schreiben, ist nicht so wichtig."