Die Kunst des Meditierens und die lauten Nachbarn
Von Katharina Salzer
Botschaft von Übersee. Entspannung ist eine Kunst, die gelernt sein will. Eine Freundin, seit Jahren in den USA daheim, will sie weitergeben. Also rief sie zum Online-Meditationskurs via Zoom. Wann, wenn nicht jetzt, war der Gedanke. Zuhause wird es ohnehin schon ein wenig unentspannt, weil die Wohnung ist das Büro (ohne ergonomische Möbel), die After-Work-Bar (mit den besten Cocktails Wiens), das Restaurant (mit immer der gleichen Speisekarte), das Fitnesscenter (mit den faulsten Mitgliedern Wiens), das Kino und die Wohnung von früher. Jetzt ist sie eben auch noch der Meditationsraum. A scho wurscht.
Luftveränderung. Das Meeting beginnt.
„Einatmen“, sagt die Freundin – 8.000 Kilometer entfernt. Die Luft strömt. Das Nachbarskind, ein kleines Mädchen, schreit.
„Ausatmen“, sagt die Freundin, deren Tag sechs Stunden hinterherhinkt. Sie ist noch frisch. Die Luft versucht zu strömen. Der Vater des Nachbarkinds schreit.
„Einatmen.“ Die Mutter des Mädchens schreit.
„Ausatmen.“ Jetzt, so das intensive Gefühl, muss auch ich schreien, nachdem ich aufgesprungen und auf den Gang gesprintet bin: Hallo, hier läuft Meditationskurs, R.U.H.E. bitte. Aber keine Zeit.
„Einatmen“, sagt die Lehrerin. Und, als hätte sie es geahnt: „Die Gedanken loslassen“.
Konzentration! Das Meeting geht weiter. Und selbst schreien zu wollen, wäre extrem unsympathisch, weil die Familie nebenan hat es auch nicht leicht. Und für dünne Wände und Türen kann sie nichts.
„Einatmen“, sagt die Freundin.
Ups. Das war doch gerade. Immer diese Gedanken.
Tipps. Einatmen, ausatmen. Die Gedanken kommen und gehen. Einatmen, ausatmen.