Die Dörte mit dem Strohhut
Von Anja Kröll
Ich werde alt. Sehen Sie das als Feststellung an. Das liegt jetzt primär nicht einmal daran, dass ich in gut einem halben Jahr eine andere Ziffer vorne stehen habe. Es liegt am Urlaub. Da war die Erholung nach folgender Begegnung schlagartig in ihren Grundfesten erschüttert.
Ich wanderte – völlig entspannt – am Ufer eines Bergsees, als mir drei Teenager (geschätzte 11 bis 13 Jahre) entgegensprangen. Anfänglich war die Freude noch groß, weil alle drei trotz Hitze, schwierigen Alters und Laufschritts laut und deutlich grüßten. Aber was und wie sie es sagten: „Grüß Gott!“ Da kann man Gott fast nur mehr selbst anflehen. Denn es ist ein Gebot, dass über 1.000 Meter Seehöhe das Du-Wort gilt. Umgesetzt in Form eines „Griaß di!“ Selbst für Omas mit Rollator.
Somit gab es nur folgende, eilig erarbeitete Erklärmöglichkeiten: Das Licht war schuld. Weil im glasklar, spiegelnden, grünen Schein des Sees, kann die eigene Jugend schon mal markant verkannt werden. Oder: Die Burschen wollten besonders höflich sein. Was allerdings kein zwingendes Merkmal von laufender, in Eile befindlicher Bergbevölkerung ist.
Oder drittens, die wohl schlimmste Möglichkeit: Ich wurde, aufgrund meines Strohhuts, für eine deutsche Touristin gehalten. Diesen Besuchern entgegnet der Bergbewohner nicht immer ein amikales „Griaß di“. Höchstens bei organisierten Schuplattlerabenden, weil das dort quasi Teil des gebuchten „Erleben Sie Ösi-Land hautnah“-Packages ist.
Ich habe in weiterer Folge meinen Strohhut verbrannt. Weil lieber ein paar Sonnenfalten im Gesicht mehr und ein aufrichtiges „Griaß di“ für eine alte Bergbewohnerin als ein lautes „Grüß Gott“ für eine vermeintliche Dörte.