Marktfreundliche Therapie stockt
Von Danny Leder
Das Bild ist übel: Präsident Macron musste am Sonntag die Pariser Avenue Kleber, einen der Schauplätze des Aufruhrs vom Samstag, fluchtartig verlassen, nachdem etliche Umstehende „Macron – Demission“ riefen.
Es mag überraschen, dass dem anfänglich bejubelten liberalen Reformer eine derartige Ablehnung entgegenschlägt – in Umfragen und jetzt durch eine Aufstandsbewegung, die so ausufernd wie diffus wirkt. Aber die „ Gelbwesten“, die sich per Facebook als lose Initiativgruppen gegen hohe Gebühren auf Spritpreise bildeten (und inzwischen eine Vielzahl weiterer – zum Teil gegensätzliche – Forderungen stellen), sind der geballte Ausdruck der sozialen Verunsicherung, die Speckgürtel und Provinzstädte erfasst hat. Und damit sind sie auch – von ihrem sozial-geographischen Ursprung her – das französische Gegenstück etwa zur britischen Brexit-Bewegung oder der italienischen Populismus-Welle.
Bei den Wahlen 2017 konnte Macron diese Strömungen, die von der Nationalistin Marine Le Pen und dem Linkstribun Jean-Luc Melenchon verkörpert wurden, gerade noch bannen. Er war zwar damals auch nicht
der Hoffnungsträger der Absturz-gefährdeten Teile der Mittelschichten, sie gewährten ihm aber eine Probephase. Außerdem wurde Macron durch das französische Wahlsystem begünstigt, das eine sehr relative Mehrheit in eine ziemlich absolute Präsidentenmacht verwandelt.
Aber inzwischen hat Macron mit seiner marktfreundlichen Therapie seinen geringen Vertrauensvorschuss bei diesen Bevölkerungskreisen verbraucht, weil er ihnen vorerst hauptsächlich bittere Pillen verschrieb. Wobei ihn seine präsidentielle Dominanz zur fast alleinigen Zielscheibe ihres Aufbegehrens macht.danny.leder