Mutation
Von Simone Hoepke
Erbstücke, die jahrzehntelang am dunklen Dachboden versteckt wurden, schaffen es jetzt ans Tageslicht.
über Gebrauchtes
Mein Nachbar, einst überzeugter Zivildiener, steckt seit Neuestem in einem Wintermantel, auf dem "Bundeseigentum" steht. In großen Lettern, auf der Vorder- und Rückseite. Dem Mantel, der in seinem ersten Leben eine Bundesheerdecke war, hat der Aufdruck wohl nix genutzt. Nach der offenbaren Fahnenflucht ist das "Bundeseigentum" bei einem Designer gelandet und zu einem (sauteuren) Mantel mutiert. Upcycling nennt man das auf Neudeutsch.
Jetzt schaffen es selbst Erbstücke, die jahrzehntelang am dunklen Dachboden versteckt wurden, wieder ans Tageslicht. Pelzmäntel etwa. Endlich tut sich eine Chance auf, das Teil zu Geld zu machen. Oder man trägt den Pelz zum Kürschner, der daraus etwas Herzeigbares für den Eigengebrauch macht (siehe KURIER-Bericht zu Secondhand). Zu einem Preis, um den sich andere ungefähr zehn neue Mäntel von der Stange kaufen. Aber von günstig war ja auch nie die Rede.
In der Masse kann man aber mit einer Rolex leichter Eindruck schinden. Dass da just nach Auszahlung des Weihnachtsgeldes eine Versteigerung im Dorotheum stattgefunden hat, war ein echter Segen. Der andere Nachbar, ein Banker, hat sich einen Urlaubstag genommen, um mitzusteigern. So eine Uhr ist schließlich ein Investment, bei der Bank kriegt man nix mehr für sein Geld. Haha! Das Lachen ist ihm aber vergangen. Er ist ohne Uhr nach Hause gekommen. "Zu viele Menschen haben zu viel Geld geboten. Da kann er sich gleich eine neue Uhr kaufen", sagt er.