Von wegen Paradies für Selbstständige
Von Anita Staudacher
Ein-Personen-Unternehmen fühlen sich von der gewerblichen Sozialversicherung ausgenommen.
über das Sozialnetz
Österreich sei ein Paradies für Selbstständige, behauptet die Wirtschaftskammer. Nirgendwo sonst auf der Welt gäbe es ein derart dicht gespanntes Sozialnetz für die hoffnungsvollen Gründer, wird frohlockt. Keine Frage, in puncto Arbeitslosenversicherung, Kranken- und Wochengeld oder Betriebshilfen wurde in den vergangenen Jahren viel getan.
Die Bemühungen der gewerblichen Sozialversicherung (SVA) können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es längst im Gebälk kracht. Ein aus dem 19. Jahrhundert stammendes, extrem bürokratisches Krankenversicherungssystem für Gewerbetreibende passt schon längst nicht mehr für alle Formen der Selbstständigkeit. Die Arbeitswelt ist bunter geworden, die Wirtschaft verlangt Flexibilität. Menschen wechseln oft von un- in selbstständige Beschäftigung und zurück. Mehr als 250.000 Ein-Personen-Unternehmen stellen mittlerweile die größte Gruppe in der Wirtschaftskammer und SVA. Viele von ihnen fühlen sich dort mit ihren Anliegen nicht wirklich vertreten und begehren auf.
Denn bevor der erste Euro verdient ist, flattert schon die erste Vorschreibung der SVA ins Haus. Eine Friseurin etwa, die knapp über der Geringfügigkeitsgrenze verdient, muss fast die Hälfte ihres Einkommens an die SVA abführen. Dazu kommen noch Selbstbehalte beim Arztbesuch, die Geringverdiener oft massiv belasten.
Fakt ist, dass Österreich bei der Selbstständigenquote im EU-Vergleich weit hinterher hinkt; dass Tausende EPU am Existenzminimum kratzen und dass ehemalige Selbstständigkeit hierzulande einer der häufigsten Gründe für Überschuldung und Privatkonkurs ist. Ein Paradies sieht wahrlich anders aus.