Wo, bitte, geht’s hier zur Zukunft?
Von Martina Salomon
Hat Wien eine städteplanerische Vision? Eher nein. Das war das erschütternde Ergebnis einer von KURIER, Format und Spiegelfeld International initiierten Debatte unter 50 Freiberuflern, Top-Managern und Kreativen (der KURIER berichtete). Ihr subjektiver Eindruck: Wien verlässt sich auf sein reiches kulturelles Erbe aus der Monarchie, hat aber keine Idee, wie es ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben könnte.
Musik So wird viel über Bauhöhen in der Stadt diskutiert, aber kaum darüber, wie man neue Projekte mit Inhalt füllt. Wien gilt zum Beispiel als Stadt der Musik – warum bemüht man sich nicht darum, die Musikindustrie anzulocken und einen Cluster zu bilden? Gleich neben dem Konzerthaus beim Eislaufverein wird derzeit groß geplant – interessiert irgendjemanden, was genau? Drei Ressorts sind im weitesten Sinne für Stadtplanung zuständig. Aber kommunizieren die Stadträte für Wohnbau, Verkehr und Planung darüber miteinander?
Medien Man plante immerhin – nicht unvernünftig – einen Mediencluster in St. Marx, vergaß aber leider eine Öffi-Anbindung. Nun sind alle bass erstaunt, warum Leitbetriebe nicht an die Stadtautobahn übersiedeln wollen. Nur die Shopping-Zentrums-Eröffnungen funktionieren immer noch klaglos, obwohl Österreich schon jetzt keinen Mangel an immer gleichen Kettenläden hat. Das erhöht übrigens den Individualverkehr, den die Stadt angeblich eindämmen will, und macht verlässlich eine Einkaufsstraße nach der anderen kaputt. Auch die Gestaltung der innerstädtischen Luxuskaufhäuser ist erschütternd provinziell. Man mag sie gar nicht mit München, Mailand, London oder Paris vergleichen. Vom Parkpickerl-Chaos (statt einer Citymaut mit klar durchschaubaren Zonen) gar nicht zu reden.
Architektur Ausschreibungen für Architekturprojekte gibt es zwar, aber sie sind selten transparent. Dabei geht es um Maximierung der Raumnutzung, aber kaum um "Landmarks", wie man sie in anderen Großstädten plant. Unglücklicherweise entstanden zu viele öde Bürokonglomerate, die nun leer stehen – weitere werden schon bald den Zentralbahnhof umzingeln.
Internationale Firmen beginnen ja leise, ihre Wiener Osteuropa-Zentralen zu schließen oder auszudünnen. Gleichzeitig werden erstaunlich große Teile der Innenstadt einem einzigen Immobilien-Entwickler überlassen. Immer häufiger wird auf (Luxus-)Monokultur statt auf einen lebendigen Mix aus Einkaufen, Leben, Arbeiten gesetzt. Wien belegt noch regelmäßig Spitzenplätze in Ranglisten für "Lebensqualität". Das sollte Auftrag sein, nicht Ruhekissen. Wo, bitte, geht’s hier zur Zukunft? Da fällt den Stadtverantwortlichen möglicherweise nur das gleichnamige Schutzhaus auf der Schmelz ein.